Kategorie: Körper

  • Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie

    Ein Schmerz, der sich wie ein unerwünschter Gast in Ihren Alltag schleicht. Ein Ziehen, ein Stechen an der Außenseite des Ellenbogens, das einfache Handgriffe zur Qual werden lässt. Der Tennisellenbogen (Epicondylitis radialis humeri) – ein Name, der oft in die Irre führt, denn selten ist es der Tennisschläger allein, der dieses Leiden hervorruft. Vielmehr ist es oft ein Symptom, die Spitze eines Eisbergs, dessen wahre Ausmaße tief im Verborgenen liegen. In meinen 35 Jahren als Physiotherapeut und Craniosacraltherapeut habe ich gelernt, hinter den offensichtlichen Schmerzen am äußeren Ellenbogen zu blicken und die subtilen Geschichten zu entschlüsseln, die der Körper erzählt. Gerade bei hartnäckigen Fällen, bei denen übliche Behandlungen nicht greifen, beginnt oft erst die eigentliche Detektivarbeit. Dieser Artikel soll Ihnen – ob Betroffener oder Fachkollege – Einblicke in die Komplexität dieses Leidens geben, lokale Therapieansätze inspirieren und vielleicht neue Perspektiven eröffnen, basierend auf aktuellem wissenschaftlichem Verständnis1,2,3. Begleiten Sie mich auf einer Reise zu den vielfältigen Ursachen des Tennisarms und entdecken Sie einen ganzheitlichen Weg, der nicht nur Linderung verspricht, sondern tiefgreifendes Verständnis fördert.

    Was wir sehen: Das Symptom namens Tennisellenbogen

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 1

    An der Oberfläche präsentiert sich der Tennisellenbogen als eine Reizung oder strukturelle Veränderung der Sehnenansätze unserer Unterarmstrecker – jener Muskeln, die Handgelenk und Finger heben. Der Schmerz am äußeren Knochenvorsprung (Epicondylus radialis humeri), die Schwäche beim Greifen, die morgendliche Steifigkeit – all das sind die spürbaren Zeichen. Fachlich sprechen wir heute bevorzugt von einer Tendinopathie, einem Überbegriff für schmerzhafte Sehnenerkrankungen5. Er ist oft präziser als der ältere Begriff „Epicondylitis“, der eine reine Entzündung suggeriert8.

    Ein Blick unter die Haut: Anatomie und das Geschehen im Gewebe (Pathophysiologie)

    Um die Tiefe des Problems zu verstehen, lohnt ein Blick auf die faszinierende Architektur unseres Körpers und die Prozesse, die bei einer Tendinopathie fehlgeleitet werden:

    • Der Schauplatz: Am äußeren Ellenbogenknochen entspringt eine Gruppe von Muskeln, deren Sehnen gemeinsam an einer relativ kleinen Fläche ansetzen. Besonders die Sehne des kurzen Handgelenksstreckers (Musculus extensor carpi radialis brevis) ist hier oft betroffen9. Diese Sehnen sind das Bindeglied zwischen Muskelkraft und Knochen – sie müssen enorme Zugkräfte übertragen.
    • Tendinose statt Tendinitis – Ein Paradigmenwechsel: Lange Zeit dominierte der Begriff „Epicondylitis“ oder „Tendinitis“ (Sehnenentzündung). Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat jedoch gezeigt: Bei chronischen Verläufen (die beim Tennisellenbogen überwiegen) liegt meist eine Tendinose vor – ein degenerativer Prozess mit fehlgeschlagener Reparatur4,6. Das histologische Bild zeigt keine massive Ansammlung von Entzündungszellen, sondern unorganisierte Kollagenfasern, eine Zunahme an bestimmten Zellen und Grundsubstanz, sowie – und das ist oft schmerzrelevant – eine Einsprossung kleiner Blutgefäße (Neovaskularisation) und begleitender Nervenfasern (Neoinnervation) in das geschädigte Gewebe6,35. Eine akute, entzündliche Tendinitis ist eher die Ausnahme oder eine kurze frühe Phase10. Dieses Verständnis ist entscheidend für die Therapie: Chronische Tendinose behandelt man nicht primär mit Entzündungshemmern, sondern durch Stimulation der Regeneration und Anpassung der Belastung.
    • Die gestörte Balance & das fehlgeleitete Load Management: Sehnen sind dynamische Strukturen, die sich an Belastung anpassen. Bei der Tendinopathie ist diese Balance gestört – oft durch zu viel, zu schnelle oder ungewohnte Belastung, die die Reparaturkapazität übersteigt11. Ein zentrales Therapieprinzip ist daher das intelligente Belastungsmanagement („Load Management“): Die Sehne braucht einen spezifischen mechanischen Reiz („Load“) zur Heilung, aber eine Überlastung würde den Zustand verschlimmern. Es geht darum, den optimalen „Sweet Spot“ der Belastung zu finden1,2.
    • Die Rolle der Nerven: Das Nervensystem ist aktiv beteiligt. Chronische Schmerzreize können zur zentralen Sensibilisierung führen (Überempfindlichkeit im zentralen Nervensystem). Lokale Nervenirritationen durch verspanntes Gewebe können ebenfalls eine Rolle spielen.

    Dieses tiefere Verständnis erklärt, warum Ansätze, die die Sehnenstruktur und -funktion verbessern (wie gezieltes Training17), die Biomechanik optimieren (Manuelle Therapie18) und das Nervensystem beruhigen (Craniosacrale Therapie, Stressreduktion, Edukation), im Vordergrund stehen sollten, während z.B. alleinige passive Maßnahmen oder wiederholte Kortisoninjektionen bei chronischer Tendinose kritisch zu sehen sind24,25.

    Entzündung und Veränderungen der Sehne bei Überlastung

    Diese Abbildungen zeigen, wie sich die Achillessehne bei Mäusen verändert (als Beispiel), wenn sie stark belastet wird oder bestimmte Stoffe in die Sehne eingebracht werden.

    Was wurde untersucht?

    • Die Sehnen wurden auf Entzündungszellen untersucht, insbesondere auf sogenannte Makrophagen.
    • Außerdem wurde ein Eiweiß namens HMGB1 in die Sehne eingebracht, um zu sehen, wie sie darauf reagiert.
    • Es wurde auch geschaut, ob sich neue Blutgefäße bilden (Angiogenese).

    Was ist passiert?

    • Bei normalen, unbelasteten Mäusen gab es keine Entzündungszeichen.
    • Nach kurzer starker Belastung zeigten sich jedoch viele Entzündungszellen in der Sehne.
    • Wird HMGB1 in die Sehne eingebracht, reagieren die Zellen stark: Es kommt zu einer Entzündung und es wachsen neue Blutgefäße.
    • Nach 4 Wochen nimmt die Entzündung wieder ab.
    • Ein Naturstoff namens Glycyrrhizin (GL) kann diese Entzündungsreaktion blockieren.

    Was bedeutet das?

    Wenn Sehnen überlastet werden, wird HMGB1 freigesetzt und löst eine Entzündung aus – das kann zur Sehnenkrankheit (Tendinopathie) führen. Ein Wirkstoff wie Glycyrrhizin könnte dabei helfen, diese schädlichen Prozesse zu verhindern und neue Therapien ermöglichen.

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 2
    Copyright-Hinweis:
    © 2019 Zhao et al. Dies ist ein Open-Access-Artikel, veröffentlicht unter der Creative Commons Attribution License. Diese erlaubt die uneingeschränkte Nutzung, Weitergabe und Vervielfältigung in jedem Medium, sofern die ursprünglichen Autoren und die Quelle korrekt genannt werden.
    Nähere Erläuterung des Bildes

    Entzündungsreaktionen und Gewebeveränderungen unter Einfluss mechanischer Überlastung und HMGB1

    Diese histologischen Aufnahmen zeigen die entzündliche Antwort und strukturelle Veränderungen der Achillessehne (AT) bei Mäusen unter verschiedenen Bedingungen.

    CD68-Färbung (Abschnitt A–D):
    Die immunhistochemische Markierung für CD68 zeigt die Präsenz von Entzündungszellen (Makrophagen/Monozyten).

    • A & B (Kontrolle & MTR): Keine CD68-positive Färbung – keine Entzündungszellen sichtbar.
    • C (Kurzzeit-ITR): Deutlich erhöhte CD68-Signale (rote Pfeile), Hinweis auf akute Infiltration von Makrophagen nach kurzfristiger intensiver Belastung.
    • D (Langzeit-OTR): Keine relevante CD68-Färbung im Sehnengewebe; periphere Signale im Weichgewebe werden als unspezifisch gewertet.

    HMGB1-Implantation (Abschnitt E):
    H&E- und CD68-Färbungen dokumentieren zelluläre Veränderungen durch implantiertes HMGB1.

    • a & d (Kontrollgruppe, Blank Bead): Normale Sehnenarchitektur, keine Zellproliferation oder CD68-positive Zellen.
    • b & e (HMGB1, 2 Wochen): Massive Zellvermehrung und deutliche CD68-positive Infiltration (schwarze Pfeile), Zeichen einer starken Entzündungsreaktion.
    • c & f (HMGB1, 4 Wochen): Reduzierte Zellzahl und nur geringe CD68-Färbung, was auf ein Abklingen der Entzündung hinweist.

    Angiogenese (Abschnitt F):

    • a (H&E): Gefäßähnliche Strukturen (Pfeile) im Sehnengewebe nach HMGB1-Implantation (2 Wochen).
    • b (CD31): Bestätigte Angiogenese in der Sehnenmatrix – CD31-positive Endothelzellen markieren neugebildete Gefäße. In Kontroll- und 4-Wochen-Gruppen fehlen diese Veränderungen.

    Interpretation und Bedeutung:
    Mechanische Überlastung ist ein zentraler Auslöser für Tendinopathien. Unsere Daten zeigen, dass HMGB1 – ein nukleäres Protein mit alarmierender Funktion – in der Sehne nach Überlastung freigesetzt wird und dort eine Entzündungskaskade aktiviert.
    Die Hemmung von HMGB1 durch Glycyrrhizin (GL), einen natürlichen Inhibitor, reduziert signifikant die entzündlichen Veränderungen im Sehnengewebe.
    In vivo führt intensive Belastung zu einer typischen Tendinopathie – GL blockiert diese Entwicklung vollständig. In vitro löst HMGB1 eine proinflammatorische Reaktion aus, inklusive erhöhter PGE2– und MMP-3-Produktion.

    Fazit:
    HMGB1 ist ein zentraler Mediator für überlastungsinduzierte Tendinopathie. Seine gezielte Blockade stellt einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz zur Verhinderung und Behandlung entzündlicher Sehnenerkrankungen dar.

    Die verborgenen Strömungen: Wo der Schmerz wirklich entsteht

    Selten ist es nur ein einzelner Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die wahre Geschichte hinter einem chronischen oder immer wiederkehrenden Tennisellenbogen ist meist ein vielschichtiges Gewebe aus interagierenden Faktoren, die oft weit über den Ellenbogen hinausreichen und sich gegenseitig beeinflussen. Lassen Sie uns diese verborgenen Strömungen genauer betrachten:

    Die offensichtlichste Spur: Der Funke der Überlastung

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 3

    Ja, die unmittelbare Ursache ist häufig eine mechanische Über- oder Fehlbelastung. Seien es stundenlange, repetitive Bewegungen am Computer, ungewohnte Kraftanstrengungen bei der Gartenarbeit oder im Handwerk, oder eine suboptimale Technik im Sport – diese Faktoren können den initialen Reiz setzen, der zu Mikroverletzungen in der Sehne führt. Doch warum wird daraus bei manchen ein chronisches Leiden, während andere sich schnell erholen? Oft liegt es daran, dass das Gewebe bereits vorgeschwächt war oder andere Faktoren die Heilung behindern. Die Überlastung ist oft nur der Auslöser, der ein bereits schwelendes Problem sichtbar macht.

    Der stille Saboteur – Haltung und Biomechanik

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 4

    Wie ein unsichtbarer Faden zieht sich die Spannung oft von einer ungünstigen Haltung – dem nach vorne geneigten Kopf über dem Bildschirm, den permanent leicht hochgezogenen Schultern – über den Nacken und den Schultergürtel bis hinunter in den Arm2. Diese chronischen Fehlhaltungen verändern die gesamte Statik und Dynamik (Biomechanik) der oberen Extremität. Muskeln geraten in Dysbalance, Gelenke werden fehlbelastet, und der Zug auf den Sehnenansatz am Ellenbogen erhöht sich schleichend, aber stetig. Der Ellenbogen wird so zum Leidtragenden einer Problematik, deren Ursprung oft in der Wirbelsäule oder im Schultergürtel zu finden ist.

    Das Echo des Stresses im Gewebe

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 5

    Unser Nervensystem vergisst nicht. Anhaltender emotionaler oder mentaler Stress versetzt den Körper in einen permanenten Alarmzustand (Sympathikus-Dominanz). Dies führt zu einer generell erhöhten Muskelgrundspannung, verändert die Durchblutungsmuster (oft weniger gute Versorgung der Peripherie) und beeinflusst direkt unsere Schmerzwahrnehmung – wir werden sensibler für Reize. Zudem schüttet der Körper unter Dauerstress Hormone aus (wie Cortisol), die auf lange Sicht katabol (abbauend) wirken und die so wichtigen Regenerations- und Heilungsprozesse im Gewebe behindern können. Der schmerzende Ellenbogen wird dann zum Resonanzkörper für eine tiefere systemische Dysbalance.

    Das Netzwerk der Faszien – Verborgene Verbindungen

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 6

    Unser Körper ist kein Sammelsurium einzelner Teile, sondern ein Kontinuum, zusammengehalten und durchdrungen von einem faszinierenden Netzwerk aus Bindegewebe – den Faszien. Dieses Netzwerk umhüllt Muskeln, Organe, Nerven und überträgt Kräfte und Spannungen durch den gesamten Körper. Verklebungen oder Restriktionen in diesem Netz – vielleicht durch eine alte Narbe, eine frühere Verletzung oder eine Fehlstellung an ganz anderer Stelle (z.B. im Becken oder Fuß) – können über diese Faszienzüge die Spannung bis zum Ellenbogen fortleiten und dort zu einer erhöhten Belastung führen5. Die Behandlung muss daher oft auch diese Fernwirkungen berücksichtigen.

    Die trügerische Kraft der Triggerpunkte

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 7

    Diese kleinen, aber oft sehr schmerzhaften „Knoten“ sind lokale Muskelverhärtungen, quasi winzige Dauerkrämpfe auf Muskelfaserebene. Das Tückische: Sie verursachen nicht nur lokale Beschwerden, sondern senden Schmerzsignale oft in weit entfernte Regionen (ausgestrahlter Schmerz)3. So kann ein Triggerpunkt in der Schulter- oder Nackenmuskulatur Schmerzen verursachen, die fälschlicherweise als reiner Ellenbogenschmerz interpretiert werden. Die gezielte Suche und Behandlung dieser Punkte ist daher oft ein essenzieller Schritt zur Diagnoseklärung und Schmerzlinderung.

    Das Fundament – Lebensstil, Ernährung und das innere Milieu

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 8

    All diese Faktoren spielen sich auf dem Fundament unseres allgemeinen Gesundheitszustandes ab. Eine Ernährung, die arm an wichtigen Nährstoffen für die Gewebereparatur ist (z.B. Vitamin C, Zink, Mangan, bestimmte Aminosäuren) oder die tendenziell eher entzündungsfördernd wirkt (viel Zucker, verarbeitete Fette), schafft ein ungünstiges inneres Milieu, das die Heilung erschwert. Ausreichend Schlaf, abwechslungsreiche Bewegung (nicht nur einseitige Belastung) und Techniken zur Stressbewältigung hingegen stärken die Resilienz des Körpers und fördern seine Regenerationsfähigkeit. Ein gesunder Lebensstil bildet die Basis, auf der spezifische Therapien optimal wirken können.

    Eine Geschichte aus meiner Praxis, die dies verdeutlicht: Ich erinnere mich gut an einen IT-Spezialisten Mitte 40. Er kam frustriert zu mir, nachdem er schon jahrelang wegen seines Tennisellenbogens bei verschiedenen Therapeuten erfolglos in Behandlung war. Die Schmerzen kamen immer wieder. Schon beim ersten Termin fiel mir auf, was bisher übersehen wurde: seine Haltung. Die permanent hochgezogenen, angespannten Schultern waren wie ein Schutzpanzer während seiner konzentrierten Arbeit am Computer. Ich erkannte schnell, dass dies die eigentliche Ursache war – die enorme Spannung, die von dort auf den Arm übertragen wurde, und nicht primär die Mausbedienung. Wir arbeiteten gezielt an der Lösung dieser Schulter-Nacken-Spannung, kombiniert mit lokaler Behandlung am Ellenbogen und craniosacraler Entspannung. Das Ergebnis? Binnen kurzer Zeit erlebte er eine deutliche und vor allem anhaltende Besserung, die ihn selbst überraschte. Es zeigt, wie entscheidend der Blick auf das Ganze und die oft übersehenen Zusammenhänge ist, gerade wenn Standardtherapien versagen!

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 9

    Mein Ansatz: Die Kunst des Zuhörens und die Weisheit der Werkzeuge

    Meine Arbeit, besonders bei langwierigen oder therapieresistenten Beschwerden, gleicht oft der eines Detektivs. Es geht darum, die individuelle Landkarte des Körpers zu lesen, die verborgenen Zusammenhänge aufzuspüren und dem Körper zu helfen, seinen Weg zurück ins Gleichgewicht zu finden. Standardisierte Protokolle greifen hier oft zu kurz1. Mein Ziel ist es, nicht nur kurzfristig Erleichterung zu verschaffen, sondern gemeinsam mit Ihnen einen nachhaltigen Lösungsweg zu entwickeln, der Ihre spezifische Situation berücksichtigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie bereits viele lokale Behandlungsversuche unternommen haben und nach tiefergehenden Antworten suchen.

    Mein Werkzeugkasten ist dabei vielfältig, und jedes Werkzeug hat seine eigene Weisheit und Wirkweise, die individuell kombiniert werden:

    1. Den akuten Brand löschen (falls nötig) & Raum schaffen

    Hier geht es darum, akute Schmerzspitzen zu managen und das Gewebe so zu beruhigen, dass die eigentliche kausale Therapie beginnen kann. Es ist oft eine notwendige Vorbereitung, kein alleiniger Heilansatz.

    Gezielte Kryotherapie (Eis)

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 10
    • Was & Warum: Kurzzeitige (3-5 Min.), direkte Eisanwendung mit leichtem Druck auf den schmerzhaftesten Punkt. Nicht bei jeder chronischen Tendinose nötig, aber hilfreich bei akuten Reizzuständen (z.B. nach Überlastung) oder starker Schmerzwahrnehmung.
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Schmerzlinderung (Analgesie): Die Kälte verlangsamt die Nervenleitgeschwindigkeit der dünnen Schmerzfasern (A-Delta und C-Fasern). Das „Tor“ für Schmerzsignale im Rückenmark wird quasi kurzzeitig weniger durchlässig (Gate-Control-Theorie).
      • Reduktion lokaler Metaboliten/Mediatoren: Die kurzzeitige Verengung der Blutgefäße (Vasokonstriktion) kann helfen, die Ausschüttung von schmerz- und entzündungsfördernden Substanzen im Akutfall etwas zu dämpfen.
      • Sensorischer Input: Der intensive Kältereiz liefert dem Gehirn einen starken, aber nicht-schädlichen sensorischen Input, der den Schmerzreiz überlagern kann.
    • Ziel: Kurzfristige Schmerzreduktion, um aus einem akuten Schmerzkreislauf auszusteigen und Beweglichkeit für andere Therapien zu ermöglichen.

    Manuelle Entlastung & Sanfte Triggerpunkt-Arbeit

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 11
    • Was & Warum: Behutsame Techniken (Streichungen, Knetungen, sanfter Druck) an der Unterarm-, Oberarm- und Schultermuskulatur. Gezielter, sanfter Druck auf myofasziale Triggerpunkte (lokale Verhärtungen in der Muskulatur).
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Mechanische Entspannung: Löst oberflächliche Muskelverspannungen und reduziert so den direkten Zug auf den Sehnenansatz am Ellenbogen.
      • Verbesserte Mikrozirkulation: Fördert den lokalen Blut- und Lymphfluss, was den Abtransport von Stoffwechselendprodukten unterstützt und die Sauerstoffversorgung verbessert.
      • Triggerpunkt-Deaktivierung: Gezielter Druck auf Triggerpunkte3 kann die lokale Dauerkontraktion der Muskelfasern unterbrechen (man vermutet u.a. eine Reduktion der Azetylcholin-Ausschüttung an der motorischen Endplatte und eine verbesserte lokale Durchblutung). Dies reduziert nicht nur den lokalen, sondern oft auch den ausgestrahlten Schmerz, der von diesen Punkten ausgehen kann.
      • Neurophysiologische Effekte: Berührung und sanfter Druck aktivieren Mechanorezeptoren in Haut und Muskeln, was über das Nervensystem zu einer allgemeinen Entspannung und Schmerzhemmung beitragen kann.
    • Ziel: Reduktion der muskulären Grundspannung, Verbesserung der Gewebequalität als Vorbereitung für tiefere Arbeit, Linderung von Triggerpunkt-bedingten Schmerzen.

    2. Den roten Faden finden und lösen – Die Tiefe berühren

    Hier beginnt die eigentliche Detektivarbeit. Wir suchen nach den tieferliegenden Ursachen und strukturellen Einschränkungen, die das Problem am Ellenbogen aufrechterhalten.

    Tiefe Manuelle Therapie & Faszienarbeit

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 12
    • Was & Warum: Gezielte Techniken, die tiefer ins Gewebe gehen (z.B. Faszienrelease-Techniken, Querfriktionen nach Cyriax am Sehnenansatz, Gelenkmobilisationen von Handgelenk, Ellenbogen, Schulter, HWS/BWS).
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Lösen von Adhäsionen/Verklebungen: Chronische Fehlbelastung oder Inaktivität führt oft zu Verklebungen zwischen Faszien-Schichten oder zwischen Muskeln und Faszien. Manuelle Techniken zielen darauf ab, diese Cross-Links mechanisch zu lösen und die Gleitfähigkeit der Gewebe wiederherzustellen.
      • Verbesserung der Gewebehydratation & -elastizität: Durch Dehnung und Mobilisation wird der Flüssigkeitsaustausch im Bindegewebe angeregt (Thixotropie), was die Faszien geschmeidiger und anpassungsfähiger macht.
      • Stimulation von Mechanorezeptoren: Tiefer Druck und Dehnung stimulieren Rezeptoren im Bindegewebe (z.B. Ruffini-, Pacini-Körperchen), was dem Nervensystem Signale über Gewebespannung und -bewegung sendet und zu einer reflektorischen Anpassung der Muskelspannung und Schmerzwahrnehmung führen kann.
      • Wiederherstellung der Gelenkbeweglichkeit: Blockaden oder Bewegungseinschränkungen in benachbarten Gelenken (z.B. eingeschränkte Unterarmdrehung, blockierte Rippen, fixierte Schulter) verändern die gesamte Biomechanik des Arms und erhöhen die Belastung am Ellenbogen. Die Mobilisation dieser Gelenke5 ist oft entscheidend, um den Ellenbogen nachhaltig zu entlasten.
      • Lokale Effekte (z.B. Querfriktion): Diese Technik direkt am Sehnenansatz18 soll eine kontrollierte Mikroverletzung setzen, um eine lokale Heilungsreaktion mit verbesserter Durchblutung und Neuausrichtung der Kollagenfasern anzuregen (die Evidenz hierfür wird diskutiert, kann aber im Einzelfall hilfreich sein).
    • Ziel: Strukturelle Einschränkungen lösen, Beweglichkeit verbessern, biomechanische Ursachen adressieren, Signalgebung an das Nervensystem verändern.

    Craniosacrale Therapie – Der subtile Dialog mit dem Nervensystem

    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 13
    • Was & Warum: Eine sehr sanfte, manuelle Methode, die sich auf die feinen Rhythmen und Bewegungen im Körper konzentriert, insbesondere im Zusammenhang mit dem Nervensystem, den Membranen (Hirn- und Rückenmarkshäute) und der Zerebrospinalflüssigkeit. Wird systemisch (Schädel, Wirbelsäule, Becken) und lokal (Arm, Ellenbogen) angewendet. Besonders wichtig bei chronischen Schmerzen, Stresskomponenten und wenn andere Therapien nicht greifen.
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Balance des Autonomen Nervensystems (ANS): Chronischer Schmerz hält oft den Sympathikus („Kampf/Flucht“) überaktiv. Die sanften Techniken der CST zielen darauf ab, den Parasympathikus („Ruhe/Reparatur“) zu aktivieren. Dies kann die allgemeine Muskelspannung senken, die Durchblutung verbessern, die Schmerzwahrnehmung positiv beeinflussen und die körpereigenen Heilungsprozesse fördern.
      • Lösung tiefer Faszien-Spannungen: Das craniosacrale System ist eng mit dem Fasziensystem verbunden. CST kann helfen, tiefsitzende, oft unbewusste Spannungsmuster im gesamten Körper (auch fernab des Ellenbogens) aufzuspüren und zu lösen, die über Faszienzüge die Symptomatik am Arm beeinflussen.
      • Verbesserung der Gewebeflüssigkeitsdynamik: Es wird angenommen, dass CST den Fluss der Zerebrospinalflüssigkeit und anderer Körperflüssigkeiten beeinflusst, was den Stoffwechsel und die „Reinigung“ des Gewebes unterstützen könnte.
      • Somato-emotionale Aspekte (optional): Bei Bedarf kann CST auch helfen, emotionale Komponenten, die sich im Körpergewebe manifestiert haben (z.B. nach Trauma oder langem Stress), sanft zu adressieren und zu integrieren.
      • Lokale Anwendung: Direkt am Ellenbogen und Arm kann CST helfen, lokale fasziale Restriktionen zu lösen und die neurogene Reizung zu beruhigen.
    • Ziel: Tiefgreifende Entspannung des Nervensystems, Lösung systemischer und lokaler Spannungsmuster, Förderung der Selbstregulation und Heilung auf einer fundamentalen Ebene.

    3. Den Körper neu lehren und stärken – Intelligente Anpassung & Belastungssteuerung

    Nachdem Raum geschaffen und tiefere Ursachen adressiert wurden, geht es darum, die Funktion wiederherzustellen, die Belastbarkeit zu steigern und dem Gehirn neue, gesunde Bewegungsmuster beizubringen.

    Achtsame Dehnung & Wiederentdeckung der Bewegung

    • Was & Warum: Kontrollierte, sanfte Dehnungen der Unterarmmuskulatur und anderer relevanter Muskelketten. Exploration von Bewegungen im schmerzfreien Bereich.
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Wiederherstellung der Muskellänge: Reduziert den passiven Zug auf den Sehnenansatz.
      • Verbesserung der Gewebeviskoelastizität: Macht Muskeln und Faszien anpassungsfähiger.
      • Neuroplastizität & Propriozeption: Durch achtsame Bewegung im schmerzfreien Bereich lernt das Gehirn, dass diese Bewegung wieder sicher ist. Dies verbessert die Körperwahrnehmung (Propriozeption) und kann helfen, schmerzbedingte Schutzmuster („Fear Avoidance“) abzubauen. Die kortikale Repräsentation des Arms im Gehirn wird positiv beeinflusst.
    • Ziel: Normalisierung der Muskelspannung, Verbesserung der Beweglichkeit, Wiederherstellung des Vertrauens in Bewegung.
    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 14

    Gezieltes Training (z.B. Exzentrik, HSRT) – Der Motor der Sehnenheilung

    • Was & Warum: Das Herzstück der aktiven Rehabilitation bei Tendinopathie. Progressiv gesteigerte Belastungsübungen, die speziell auf die Sehne abzielen.
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Mechanotransduktion: Dies ist das Schlüsselprinzip1,11. Mechanische Belastung (Zug, Druck) wird von den Sehnenzellen (Tenozyten) wahrgenommen und in biochemische Signale umgewandelt. Diese Signale regen die Zellen an, neues, gesundes Kollagen zu produzieren und die extrazelluläre Matrix umzubauen.
      • Kollagensynthese & -organisation: Gezieltes Training (insbesondere Exzentrik17 und HSRT) stimuliert die Produktion von Typ-I-Kollagen (dem starken, Haupttyp in Sehnen) und fördert dessen Ausrichtung entlang der Zuglinien, was die Sehne stärker und widerstandsfähiger macht.
      • Verbesserung der Sehnensteifigkeit: Eine gesunde Sehne ist steif genug, um Kräfte effizient zu übertragen. Training hilft, diese optimale Steifigkeit wiederherzustellen.
      • Schmerzmodulation: Isometrische Übungen (Spannung halten ohne Bewegung) können oft eine kurzfristige Schmerzlinderung bewirken, vermutlich über zentrale Hemmungsmechanismen im Nervensystem.
      • Verbesserung der neuromuskulären Kontrolle: Das Gehirn lernt durch das Training, die Muskeln, die auf die Sehne wirken, präziser, koordinierter und effizienter anzusteuern. Dies reduziert unnötige Spitzenbelastungen im Alltag.
      • Funktionelle Anpassung: Der gesamte Arm passt sich an die Belastung an, was die Kraft und Ausdauer für Alltagsaktivitäten (ADL) verbessert.
    • Ziel: Strukturelle Heilung und Stärkung der Sehne, Verbesserung der neuromuskulären Ansteuerung, Wiederherstellung der vollen Belastbarkeit und Funktion.
    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 15

    4. Die Umgebung gestalten – Prävention & Selbstwirksamkeit

    Therapie endet nicht in der Praxis. Es geht darum, das Gelernte in den Alltag zu integrieren und Rückfällen vorzubeugen.

    Ergonomie & Haltungsbewusstsein – Den Alltag heilsam gestalten

    • Was & Warum: Analyse von Arbeitsplatz, Sporttechnik, Alltagsbewegungen und deren Anpassung. Schulung der Körperwahrnehmung für Haltung.
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Reduktion chronischer Überlastung: Durch Optimierung der äußeren Bedingungen wird die ständige Reizung der Sehne minimiert.
      • Verbesserung der Biomechanik: Eine bessere Haltung und effizientere Bewegungsmuster verteilen die Lasten günstiger auf den gesamten Körper und entlasten den Ellenbogen.
    • Ziel: Minimierung der schädigenden Alltagsbelastungen, Förderung gesunder Bewegungsmuster.

    Intelligentes Belastungsmanagement & Selbsthilfe – Werkzeuge für Ihre Hand

    • Was & Warum: Aufklärung über das Prinzip des „Load Management“ (die richtige Dosis Belastung finden). Vermittlung von Übungen und Techniken (Atemübungen, Faszienball etc.) für zu Hause.
    • Wie es wirkt (Mechanismen):
      • Patienten-Empowerment: Der Patient versteht, wie Belastung die Heilung beeinflusst und lernt, seine Aktivitäten selbstständig anzupassen (weder zu viel noch zu wenig).
      • Förderung der Selbstwirksamkeit: Der Patient hat Werkzeuge, um aktiv an seiner Genesung mitzuwirken und auf leichte Schwankungen der Symptome reagieren zu können.
      • Kontinuität der Therapie: Die Übungen setzen die notwendigen Heilungsreize auch zwischen den Praxisterminen.
      • Stressreduktion (z.B. durch Atemübungen): Unterstützt die Balance des ANS und reduziert die allgemeine Körperspannung.
    • Ziel: Den Patienten zum aktiven Partner im Heilungsprozess machen, langfristige Strategien vermitteln, Rückfallprophylaxe.
    Tennisellenbogen: Tiefe Ursachen & effektive Therapie 16

    FAQ – Lichtblicke auf häufige Fragen

    Frage: Wie lange dauert diese Reise zur Heilung?
    Antwort: Sehnenheilung ist langsam. Rechnen Sie bei chronischer Tendinopathie eher mit Monaten. Geduld, konsequentes Training und Belastungsmanagement sind entscheidend15.

    Frage: Ist eine Operation unausweichlich, wenn nichts anderes hilft?
    Antwort: Operationen sind selten nötig. Über 90% der Fälle sprechen auf eine adäquate konservative Therapie (v.a. Training & Load Management) an7. Andere Optionen wie Needling37,39 oder ESWT19 können vorher erwogen werden.

    Frage: Was ist mit Kortison-Spritzen?
    Antwort: Können kurzfristig Schmerzen lindern, werden aber für die chronische Tendinose zunehmend kritisch gesehen, da sie die Sehnenstruktur schwächen und die Langzeitergebnisse verschlechtern können24,27. Eine sorgfältige Abwägung ist nötig.

    Frage: Helfen PRP-Injektionen oder Stammzellen?
    Antwort: Die Evidenz für PRP ist uneinheitlich und wird weiter erforscht28,31. Es ist keine Standardtherapie. Für Stammzellen gibt es derzeit keine ausreichenden Belege für den Einsatz bei Tendinopathie36.

    Frage: Was ist mit Bandagen oder Spangen?
    Antwort: Können individuell zur kurzfristigen Entlastung beitragen, ersetzen aber keine aktive Therapie.

    Fazit: Dem Schmerz auf den Grund gehen – Ein Weg zu tieferer Heilung

    Ein hartnäckiger Tennisellenbogen (laterale Tendinopathie) ist ein komplexes Geschehen, das weit über eine einfache „Entzündung“ hinausgeht. Das Verständnis der Tendinose als fehlgeleiteter Heilungsprozess mit strukturellen Veränderungen und die zentrale Rolle des intelligenten Belastungsmanagements sowie des progressiven Trainings sind entscheidend für eine erfolgreiche Therapie1,6,11. Passive Maßnahmen und Injektionen sollten kritisch und individuell bewertet werden.

    Dieser Artikel soll Ihnen helfen, diese Komplexität zu verstehen und gemeinsam mit Ihrem Therapeuten vor Ort die bestmögliche, aktive und auf Sie zugeschnittene Strategie zu entwickeln. Heilung braucht Zeit, Geduld und Ihre aktive Beteiligung. Nutzen Sie dieses Wissen als Inspiration für Ihren Weg.


    Ein Hinweis in eigener Sache: Meine therapeutische Arbeit konzentriert sich heute vor allem auf hochkomplexe und therapieresistente Fälle, oft im Rahmen meiner Online-Angebote oder der besonderen Therapieumgebung auf Korfu. Sollten Sie nach Ausschöpfung aller lokalen Therapiemöglichkeiten das Gefühl haben, dass genau solch ein tiefergehender, ganzheitlicher Ansatz für Ihre spezielle Situation notwendig sein könnte, dann können Sie mich über meine Kontaktseite kontaktieren, um zu klären, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll ist.


    Quellen & Weiterführende Links

    (Referenzen 1-39 wie in der vorherigen Version)

    1. Andres BM, Murrell GAC. Treatment of tendinopathy: what works, what does not, and what is on the horizon. Clin Orthop Relat Res. 2008;466:1539-1554.
    2. Kaeding C, Best TM. Tendinosis: pathophysiology and nonoperative treatment. Sports Health. 2009;1:284-292.
    3. Ackermann PW, Renstrom P. Tendinopathy in sport. Sports Health. 2012;4:193-201.
    4. Khan KM, Cook JL, Bonar F, et al. Histopathology of common tendinopathies. Update and implications for clinical management. Sports Med. 1999;27:393-408.
    5. Maffulli N, Wong J, Almekinders LC. Types and epidemiology of tendinopathy. Clin Sports Med. 2003;22:675-692.
    6. Scott A, Backman LJ, Speed C. Tendinopathy: update on pathophysiology. J Orthop Sport Phys Ther. 2015;45:833-841.
    7. Puddu G, Ippolito E, Postacchini F. A classification of achilles tendon disease. Am J Sports Med. 1976;4:145-150. (Historisch relevant für Klassifikation)
    8. Maffulli N, Khan KM, Puddu G. Overuse tendon conditions: time to change a confusing terminology. Arthroscopy. 1998;14:840-843.
    9. Kraushaar B, Nirschl R. Current concepts review: tendinosis of the elbow (tennis elbow). J Bone Jt Surg. 1999;81:259-278.
    10. Rees JD, Stride M, Scott A. Tendons—time to revisit inflammation. Br J Sports Med. 2014;48:1553-1557.
    11. Scott A, Docking S, Vicenzino B, et al. Sports and exercise-related tendinopathies: a review… Br J Sports Med. 2013;47:536-544.
    12. Smith J, Sellon J. Comparing PRP injections with ESWT for athletes with chronic patellar tendinopathy. Clin J Sport Med. 2014;24:88-89. (Vergleichsstudie)
    13. Mallow M, Nazarian LN. Greater trochanteric pain syndrome diagnosis and treatment. Phys Med Rehabil Clin N Am. 2014;25:279-289. (Andere Lokalisation)
    14. Schwartz A, Watson JN, Hutchinson MR. Patellar tendinopathy. Sports Health. 2015;7:415-420. (Andere Lokalisation)
    15. Magnussen RA, Dunn WR, Thomson AB. Nonoperative treatment of midportion Achilles tendinopathy: a systematic review. Clin J Sport Med. 2009;19:54-64.
    16. Mccormack JR, Underwood FB, Slaven EJ, et al. Eccentric exercise versus eccentric exercise and soft tissue treatment (Astym)… Sports Health. 2016;8:230-237. (Achilles + Manuelle Technik)
    17. Wen DY, Schultz BJ, Schaal B, et al. Eccentric strengthening for chronic lateral epicondylosis: a prospective randomized study. Sports Health. 2011;3:500-503.
    18. Yi R, Bratchenko WW, Tan V. Deep friction massage versus steroid injection in the treatment of lateral epicondylitis. Hand (N Y). 2018;13:56-59.
    19. Su X, Li Z, Liu Z, et al. Effects of high- and low-energy radial shock waves therapy combined with physiotherapy… Disabil Rehabil. 2018;40:2488-2494.
    20. Barratt PA, Brookes N, Newson A. Conservative treatments for greater trochanteric pain syndrome: a systematic review. Br J Sports Med. 2017;51:97-104. (Andere Lokalisation)
    21. Nguyen L, Kelsberg G, Beecher D, et al. Clinical inquiries: are topical nitrates safe and effective…? J Fam Pract. 2014;63:469-470. (Topische Nitrate)
    22. Steunebrink M, Zwerver J, Brandsema R, et al. Topical glyceryl trinitrate treatment of chronic patellar tendinopathy… Br J Sports Med. 2013;47:34-39. (Topische Nitrate)
    23. Kane TPC, Ismail M, Calder JDF. Topical glyceryl trinitrate and noninsertional Achilles tendinopathy. Am J Sports Med. 2008;36:1160-1163. (Topische Nitrate)
    24. Coombes BK, Bisset L, Vicenzino B. Efficacy and safety of corticosteroid injections… Lancet. 2010;376:1751-1767.
    25. Taylor SA, Hannafin JA. Evaluation and management of elbow tendinopathy. Sports Health. 2012;4:384-393.
    26. Sawaizumi T, Nanno M, Ito H. De Quervain’s disease: efficacy of intra-sheath triamcinolone injection. Int Orthop. 2007;31:265-268. (Kortison bei anderer Diagnose)
    27. Chen SK, Lu CC, Chou PH, et al. Patellar tendon ruptures in weight lifters after local steroid injections. Arch Orthop Trauma Surg. 2009;129:369-372.
    28. Filardo G, Di Matteo B, Kon E, et al. Platelet-rich plasma in tendon-related disorders: results and indications. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2018;26:1984-1999.
    29. Cong GT, Carballo C, Camp CL, et al. Platelet-rich plasma in treating patellar tendinopathy. Oper Tech Orthop. 2016;26:110-116. (PRP)
    30. Shams A, El-Sayed M, Gamal O, et al. Subacromial injection of autologous platelet-rich plasma versus corticosteroid… Eur J Orthop Surg Traumatol. 2016;26:837-842. (PRP vs Kortison, Rotatorenmanschette)
    31. DiMatteo B, Filardo G, Kon E, et al. Platelet-rich plasma: evidence for the treatment of patellar and Achilles tendinopathy… Musculoskelet Surg. 2015;99:1-9.
    32. Dragoo JL, Wasterlain AS, Braun HJ, et al. Platelet-rich plasma as a treatment for patellar tendinopathy. Am J Sports Med. 2014;42:610-618. (PRP)
    33. Ellenbecker TS, Nirschl R, Renstrom P. Current concepts in examination and treatment of elbow tendon injury. Sports Health. 2013;5:186-194. (Überblick Ellenbogen)
    34. Rabago D, Nourani B. Prolotherapy for osteoarthritis and tendinopathy: a descriptive review. Curr Rheumatol Rep. 2017;19:34. (Prolotherapie)
    35. Kardouni JR, Seitz AL, Walsworth MK, et al. Neovascularization prevalence in the supraspinatus… Clin J Sport Med. 2013;23:444-449.
    36. Pas HIMFL, Moen MH, Haisma HJ, et al. No evidence for the use of stem cell therapy for tendon disorders… Br J Sports Med. 2017;51:996-1002.
    37. Housner JA, Jacobson JA, Misko R. Sonographically guided percutaneous needle tenotomy… J Ultrasound Med. 2009;28:1187-1192.
    38. Housner JA, Jacobson JA, Morag Y, et al. Should ultrasound-guided needle fenestration be considered…? Clin J Sport Med. 2010;20:488-490. (Needling)
    39. McShane JM, Nazarian LN, Harwood MI. Sonographically guided percutaneous needle tenotomy for treatment of common extensor tendinosis… J Ultrasound Med. 2006;25:1281-1289.
    40. Therapieangebote
    41. Patienteninformation Tennisarm (Gesundheitsinformation.de)
  • Karpaltunnelsyndrom: Wenn das Handgelenk zur Engstelle wird

    Karpaltunnelsyndrom: Wenn das Handgelenk zur Engstelle wird

    Unsere Hände sind wahre Meisterwerke der Evolution – fein abgestimmte Werkzeuge, die uns im Alltag unzählige Aufgaben ermöglichen. Ob beim Musizieren, beim filigranen Arbeiten als Uhrmacher, beim kraftvollen Schwingen einer Axt, beim Schreiben, beim Bedienen von Maschinen oder einfach nur beim Halten eines Buches – unsere Hände sind ständig im Einsatz. Sie sind die Hände der Kreativität und des Wissens, die uns ermöglichen, unsere Träume zu verwirklichen und unsere täglichen Aufgaben zu bewältigen.

    Ausgestreckte Hände, gesunde Handfunktion, Karpaltunnelsyndrom
    Die Hände der Kreativität und des Wissens: Handfunktion im Alltag.

    Doch manchmal kann diese Vielseitigkeit durch das Karpaltunnelsyndrom (KTS) eingeschränkt werden. Diese häufige Erkrankung entsteht, wenn der Nervus medianus im Handgelenk eingeengt wird, was zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen und Schmerzen führen kann1. Typische Frühsymptome sind nächtliche schmerzhafte Missempfindungen, die im weiteren Verlauf auch tagsüber persistieren können2. Schließlich kommt es zu zunehmenden sensorischen und motorischen Ausfallserscheinungen in Bereichen des Daumens bis zum Mittelfinger und in Teilen des Ringfingers3.

    Haben Sie schon einmal ein Kribbeln oder Taubheitsgefühl in Ihren Händen erlebt, das Sie nachts wach hält? Das könnte ein Zeichen für das Karpaltunnelsyndrom sein, eine Erkrankung, die viele Menschen betrifft4. Doch keine Sorge, es gibt wirksame Behandlungsmöglichkeiten!

    Physiotherapie bietet eine effektive Möglichkeit, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern, oft als Alternative oder Ergänzung zu operativen Eingriffen5. Durch gezielte Übungen und manuelle Techniken kann der Druck auf den Nervus medianus reduziert werden, was zu einer erheblichen Verbesserung der Symptome führen kann6.

    Hinweis zu meinen Artikeln:

    Meine Artikel für Dich sind keine schnellen und oberflächlichen Nachrichten. Statt eines kurzen Tweets oder eines kurzen Statusupdate erhälst Du bei mir einen ganzen Artikel mit viel Detailinformationen. Zudem gibt es bei gesundheitlichen Problemen selten eine einfache und schnelle Lösung. Der menschliche Organismus ist hochkomplex und da ist schon die Reduktion in einzelne Artikel schwierig.
    Wie auch in meinen Artikeln so ist auch meine Therapie. Ich nehme mir Zeit für die Befundung, die Therapie, die Übungen, die Alltags- und Gebrauchsbewegungen und selbstverständlich auch die methodische und didaktische Vermittlung. Meine PatientInnen schätzen genau das: Sehr genau und ganz exakt, dabei sanft und immer herzlich, ganz nach meinem Motto in der Therapie: „Fühle Dein Wesen in Bewegung und erlebe Dein Sein in der Therapie“.

    Inhaltsverzeichnis
    Handgelenk mit transparent dargestellten Knochen und hervorgehobenem Bereich im Karpaltunnel, der auf eine Nerveneinklemmung hindeutet.
    Darstellung des Karpaltunnelsyndroms: Eine Einengung im Handgelenk kann den Medianusnerv beeinträchtigen.

    Beispiele, wie das Karpaltunnelsyndrom den Alltag beeinträchtigen kann:

    Stellen Sie sich vor, Sie wachen nachts auf, und Ihre Hand fühlt sich an, als wäre sie eingeschlafen. Ein unangenehmes Kribbeln durchzieht Ihre Finger, und Sie müssen die Hand schütteln, um das Gefühl wiederzuerlangen. Oder denken Sie an eine Büroangestellte, die stundenlang tippt und plötzlich feststellt, dass sie eine Kaffeetasse kaum noch halten kann. Eine Mutter, die ihr Baby hochheben möchte, aber ein stechender Schmerz im Handgelenk daran hindert.

    Diese Symptome treten oft nachts auf, wenn das Handgelenk in einer bestimmten Stellung ist, und können durch Bewegung oder Schütteln der Hand vorübergehend gelindert werden. In schweren Fällen können die Schmerzen bis in den Arm ausstrahlen und zu einer Kraftminderung in der Hand führen. Langfristig kann es zu Muskelrückbildungen (Atrophie) kommen, insbesondere im Bereich des Daumenballens7.

    Mensch hält sein schmerzendes Handgelenk, während eine digitale Durchleuchtung die Knochenstruktur und eine Entzündungsstelle hervorhebt.
    Handschmerzen durch Überlastung: Wiederholte Bewegungen können das Risiko für Sehnenentzündungen und Nervenkompression erhöhen.

    Das Karpaltunnelsyndrom entsteht, wenn der Nervus medianus im Karpaltunnel des Handgelenks eingeengt wird. Dies kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, wie z.B. Überbelastung, Flüssigkeitsansammlung oder anatomische Veränderungen. Berufsbedingte Belastungen, wie Repetition und Kraftaufwand, sind ebenfalls bekannte Risikofaktoren für das KTS8.

    Hinrich Medau im Gespräch mit einer Frau in Sportkleidung, vermutlich während einer Unterrichtssituation oder einer Demonstration seiner Bewegungstherapie.
    Hinrich Medau (1938): Pionier der Bewegungstherapie im Austausch mit einer Schülerin.

    Fallbeispiel

    In den 90er Jahren absolvierte ich während meiner Tätigkeit in einer Spezialklinik eine Fortbildung bei Frau Klötzer an der Medau Schule in Coburg, gemeinsam mit anderen Fachkollegen aus verschiedenen Kliniken. Frau Klötzer erkannte eine Begabung und empfahl mir, freie Improvisation am Klavier zu erlernen, um meine therapeutischen Fähigkeiten zu vertiefen. Ich suchte also nach einem entsprechenden Lehrer und fand Herrn Sommer, der mich unterrichtete.

    Nahaufnahme eines Pianos mit Notenblättern, einem Bleistift und einer spielenden Hand – Symbol für Musik, Improvisation und Ergonomie am Klavier.
    Improvisation am Klavier – Musik und Ergonomie in Einklang bringen.

    Nach einigen Unterrichtsstunden berichtete Herr Sommer über Kribbeln in den Fingern und ähnliche Symptome. Er erzählte, dass er seit einigen Wochen ein zunehmendes Kribbeln und Taubheitsgefühl in seinen Fingern bemerkte, insbesondere nachts. Zunächst dachte er, es sei eine vorübergehende Überlastung, doch die Beschwerden verschlimmerten sich. Eines Morgens wachte er mit starken Schmerzen im Handgelenk auf und konnte seine Finger kaum noch bewegen. Die Diagnose: Karpaltunnelsyndrom. Herr Sommer war verzweifelt, da er befürchtete, seine Leidenschaft, das Klavierspielen, aufgeben zu müssen. Doch dank einer Kombination aus konservativer Therapie, insbesondere manueller Therapie, einem besonderen Fokus auf Ergonomie am Arbeitsplatz und gezielten Übungen zur Entlastung, konnte er seine Handfunktion wiedererlangen und seine musikalische Karriere fortsetzen9.

    Dabei wurde besonderer Wert auf folgende Aspekte gelegt:

    • Ergonomie am Arbeitsplatz: Dies ist besonders wichtig für Klavierlehrer, da sie viele Stunden am Klavier verbringen. Eine ergonomische Sitzposition, die richtige Höhe des Klaviers und des Stuhls sowie die korrekte Handhaltung beim Spielen können dazu beitragen, die Belastung des Handgelenks zu reduzieren10.
    • Übungen zur Entlastung: Dehnübungen und Kräftigungsübungen für Handgelenk und Unterarm können dazu beitragen, die Muskulatur zu stärken und die Flexibilität zu verbessern11.

    Die Geschichte von Herrn Sommer zeigt, wie das Karpaltunnelsyndrom den Alltag und die Leidenschaft eines Menschen beeinträchtigen kann. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, und wie kommt es zu diesen Beschwerden? Um das zu verstehen, müssen wir einen Blick in das Innere unseres Handgelenks werfen, in den sogenannten Karpaltunnel – eine verborgene Passage voller Aktivität, die bei Problemen zur Engstelle werden kann.

    Der Karpaltunnel: Eine verborgene Passage voller Aktivität

    Anatomische Querschnittsillustration des Handgelenks mit Karpaltunnel, Nerven und Sehnen – Darstellung der biomechanischen Strukturen der Hand.
    Anatomischer Querschnitt des Karpaltunnels – Sitz des Medianusnervs.

    Stellen Sie sich den Karpaltunnel als eine schmale, unterirdische Passage im Herzen Ihres Handgelenks vor. Wie ein antiker Tunnel, der von einem kunstvoll geformten Türbogen aus acht massiven Steinen – den Handwurzelknochen – begrenzt wird. Dieser Bogen, der die funktionelle Form des Handgelenks bildet, wird unten durch ein straffes, schützendes Band – das Retinaculum flexorum – zusammengehalten. In dieser verborgenen Passage herrscht reges Treiben: Der Nervus medianus, ein wichtiger Kommunikationsstrang, und die Sehnen der Handbeugemuskeln, die wie geschäftige Seile durch den Tunnel gleiten, arbeiten Hand in Hand. Doch hier verbirgt sich noch mehr: Zahlreiche Sehnenscheiden, zarte Hüllen, die die Sehnen der langen Fingermuskeln umgeben, sorgen für eine reibungslose Gleitfähigkeit. Sie ermöglichen es den Sehnen, sanft und ohne Widerstand durch den engen Tunnel zu gleiten, wie Fäden durch Ösen1213.

    Anatomische Darstellung der Hand mit Fokus auf die Sehnen, Sehnenscheiden und den Karpaltunnel.
    Verengung des Karpaltunnels: Verdickte Sehnenscheiden führen zur Kompression des Nervus medianus.

    Verengung des Karpaltunnel: Verdickte Sehnenscheiden führen zur Kompression des Nervus medianus.

    Doch was passiert, wenn dieser ohnehin schon enge Raum noch weiter verengt wird? Stellen Sie sich vor, die Wände des Tunnels beginnen zu schwellen, oder Ablagerungen verstopfen den Durchgang. Die häufigste Ursache hierfür ist eine Verdickung der Sehnenscheiden, die die Sehnen der Handbeugemuskeln umgeben. Die Sehnenscheiden, die normalerweise für eine reibungslose Gleitfähigkeit sorgen, werden eingeengt und entzünden sich. Die Sehnen können nicht mehr frei gleiten, es kommt zu Reibung und Schmerzen. Der Nervus medianus, der empfindliche Kommunikationsstrang, gerät zusätzlich unter Druck, wie ein Kabel, das in einem überfüllten Schacht eingeklemmt wird. Die Folge: Die Signale werden gestört, und es kommt zu Taubheitsgefühl, Kribbeln und Schmerzen – ein Hilfeschrei aus dem Inneren des Handgelenks1415.

    Die Palmaraponeurose: Ein wichtiger Bestandteil der komplexen Handanatomie.

    Anatomische Illustration der Hand mit Darstellung der Palmaraponeurose, Sehnen, Nerven und Karpaltunnel.
    Der Karpaltunnel – ein fragiles System aus Sehnen, Nerven und Knochen.

    Der Karpaltunnel ist komplex und fragil

    Der Karpaltunnel ist ein dynamisches und zugleich fragiles System, das aufgrund seiner engen anatomischen Struktur und der Vielzahl an Strukturen, die ihn passieren, besonders anfällig für Druckbelastungen ist. Im Gegensatz zum Fuß, der auf Stabilität ausgelegt ist, ist die Hand auf Feinmotorik und komplexe Bewegungen spezialisiert. Die Handwurzelknochen, die wie ein kunstvoll geformter Türbogen angeordnet sind, bilden zusammen mit dem Retinaculum flexorum einen engen Kanal, der den Nervus medianus und die Sehnen der Handbeugemuskeln umschließt. Bei Bewegung des Handgelenks und der Finger verändern sich die Platzverhältnisse im Tunnel. Wenn jedoch Schwellungen oder Verdickungen auftreten, insbesondere der Sehnenscheiden, wird dieser dynamische Prozess gestört. Der Druck im Tunnel steigt, was zu einer Kompression des Nervus medianus führt. Dieser erhöhte Druck beeinträchtigt die Durchblutung des Nervs und führt zu einer Kaskade von Ereignissen: Die Sehnenscheiden entzünden sich, die Gleitfähigkeit der Sehnen wird beeinträchtigt, und der Nervus medianus wird in seiner Funktion gestört. Die Folge sind Taubheitsgefühl, Kribbeln und Schmerzen1617.

    Die Komplexität der Hand: Sehnen und Lumbrikalmuskeln ermöglichen präzise Bewegungen.

    Anatomische Darstellung der Handmuskulatur mit Sehnen und Lumbrikalmuskeln.
    Die Komplexität der Hand: Sehnen und Lumbrikalmuskeln ermöglichen präzise Bewegungen.

    Die Komplexität der Hand, insbesondere die einzigartige Fähigkeit des Menschen, dank des Sattelgelenks der Daumenwurzel und der Lumbrikalmuskeln den Lumbrikalgriff auszuführen, macht sie zu einem Meisterwerk der Evolution. Diese Komplexität birgt jedoch auch eine gewisse Fragilität. Schon geringfügige Störungen können die feinen Mechanismen der Hand beeinträchtigen und zu Erkrankungen wie dem Karpaltunnelsyndrom führen1819.

    Statistische Darstellung der Prävalenz und Geschlechterverteilung des Karpaltunnelsyndroms.
    Statistik zum Karpaltunnelsyndrom: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

    Allgemeine Häufigkeit

    Das Karpaltunnelsyndrom ist eine weit verbreitete Erkrankung, die etwa 10 bis 14,8% der Bevölkerung betrifft, wobei die Prävalenz je nach Studie variiert2021. Frauen sind dabei etwa doppelt bis dreimal so häufig betroffen wie Männer22. Am häufigsten tritt das Karpaltunnelsyndrom im Alter zwischen 40 und 70 Jahren auf23. Es handelt sich um das häufigste Engpasssyndrom des peripheren Nervensystems24. Die Inzidenz, also die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr, liegt bei etwa 3 bis 3,45 Fällen auf 1000 Einwohner25.

    Eine Fotografie einer Hand, bei der der Bereich des Karpaltunnels durch eine rote Markierung hervorgehoben ist. Um die Hand herum sind Textfelder angeordnet, die verschiedene Risikofaktoren für das Karpaltunnelsyndrom benennen: "Mechanische Faktoren", "Anatomische Faktoren", "Systemische Erkrankungen", "Hormonelle Faktoren" und "Weitere Faktoren". Die Hand selbst ist in einer natürlichen, leicht entspannten Position dargestellt. Die rote Markierung dient als visueller Hinweis auf den Bereich, der von den genannten Risikofaktoren betroffen sein kann.
    Risikofaktoren für das Karpaltunnelsyndrom: Eine visuelle Darstellung der vielfältigen Ursachen.

    Spezifische Risikofaktoren

    Die Entstehung eines Karpaltunnelsyndroms wird von einer Vielzahl spezifischer Risikofaktoren beeinflusst, die sich in verschiedene Kategorien einteilen lassen.

    Anatomische Faktoren spielen eine bedeutende Rolle. Eine angeborene Enge des Karpaltunnels oder Anomalien der Handwurzelknochen können die Wahrscheinlichkeit einer Nervenkompression erhöhen2627. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, möglicherweise aufgrund eines engeren Karpaltunnels2829.

    Mechanische Faktoren sind ebenfalls wichtig. Wiederholte Handbewegungen, wie sie beim Tippen am Computer, Musizieren oder bei handwerklichen Tätigkeiten auftreten, können das Risiko erhöhen[1]. Übermäßige Belastungen des Handgelenks oder Verletzungen, wie Radiusfrakturen, Handgelenksverstauchungen oder Gurtprellungen, können zur Entwicklung eines Karpaltunnelsyndroms beitragen. Darüber hinaus können Sehnenscheidenentzündungen, Ganglien, Tumore oder Lipome den Raum im Karpaltunnel zusätzlich einengen30.

    Systemische Erkrankungen stellen eine weitere wichtige Risikogruppe dar. Diabetes mellitus und rheumatoide Arthritis sind bekannte Faktoren, die das Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom erheblich erhöhen. Auch Schilddrüsenerkrankungen, Amyloidose, Tuberkulose, Osteochondrose und Myogelose können eine Rolle spielen.

    Hormonelle Faktoren beeinflussen ebenfalls die Entstehung des Karpaltunnelsyndroms. Während der Schwangerschaft sind bis zu 50 % der Frauen betroffen, und auch die Wechseljahre können das Risiko erhöhen.

    Weitere Faktoren umfassen Übergewicht, Faszienprobleme, Blutungen, veränderte Haltung und Haltungs- und Bewegungsveränderungen. Auch Operationen, insbesondere Herzoperationen mit klassischer Thorakotomie, bei denen rund 50 % der Patienten langfristig betroffen sind, und Wirbelsäulenoperationen, bei denen jeder sechste Patient betroffen ist, können das Risiko erhöhen. Zudem können genetische Faktoren, berufliche Belastungen durch Vibrationen oder wiederholte Handbewegungen sowie das Rauchen das Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom beeinflussen.

    Karpaltunnelsyndrom: Wenn das Handgelenk zur Engstelle wird 17
    Kombination von Risikofaktoren: Ein Beispiel für die vielfältigen Ursachen des Karpaltunnelsyndroms.

    Beispiel für die Kombination mehrerer Risikofaktoren

    In vielen Fällen lässt sich keine einzelne, eindeutige Ursache für das Karpaltunnelsyndrom identifizieren. Vielmehr handelt es sich häufig um ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die gemeinsam zur Entstehung der Erkrankung beitragen. So wie bei Frau Schmidt, einer 52-jährigen Büroangestellten, die täglich mehrere Stunden am Computer verbringt und dabei repetitive Handbewegungen ausführt. Zusätzlich leidet sie an leichter rheumatoider Arthritis, die zu Entzündungen in ihren Gelenken führt, und hat in den letzten Jahren an Gewicht zugenommen, was die Belastung ihres Handgelenks erhöht31. Diese Kombination aus beruflicher Belastung, entzündlicher Erkrankung und erhöhtem Körpergewicht macht Frau Schmidt besonders anfällig für die Entwicklung eines Karpaltunnelsyndroms. Es ist dieses komplexe Zusammenspiel verschiedener Risikofaktoren, das die Diagnosestellung und Behandlung des Karpaltunnelsyndroms oft so herausfordernd macht.

    Medizinische Untersuchung zur Diagnose des Karpaltunnelsyndroms mit Anamnese, manueller Untersuchung und technischen Verfahren.
    Diagnose des Karpaltunnelsyndroms: Ein Überblick über die verschiedenen Untersuchungsverfahren.

    Symptome: Von leicht bis unerträglich

    Typische Symptome des Karpaltunnelsyndroms umfassen Kribbeln, Taubheit und Schmerzen, die primär Daumen, Zeige-, Mittel- und die radiale Hälfte des Ringfingers betreffen32. Die Beschwerden manifestieren sich häufig nachts und können durch Schütteln der Hand vorübergehend gelindert werden33. Im fortgeschrittenen Stadium strahlen die Schmerzen in den Unterarm aus, begleitet von Griffschwäche und Feinmotorikstörungen34.

    Schweregradprogression:

    • Leicht: Intermittierendes Kribbeln, vorwiegend bei Belastung
    • Moderat: Nächtliches Erwachen durch Schmerzen, verminderte Tastempfindlichkeit
    • Schwer: Atrophie des Daumenballens (Thenarmuskulatur), permanente Sensibilitätsstörungen

    Diagnostik: Präzise Abklärung entscheidet

    Die Diagnostik stützt sich auf drei Säulen:

    Klinische Untersuchung35:

    • Phalen-Test (maximale Handgelenksflexion für 60 Sekunden): Sensitivität 75%
    • Hoffmann-Tinel-Zeichen (Perkussion des Karpaltunnels): Spezifität 55-100%
    • Prüfung der Thenarmuskelkraft gegen Widerstand

    Die manuelle Untersuchung ist die grundlegende und entscheidende Untersuchungsmethode zur Diagnose des Karpaltunnelsyndroms. Ein erfahrener Therapeut kann durch gezielte Palpation die Weichheit des Retinaculum flexorum, die Beweglichkeit der Handwurzelknochen und die Flexibilität der Sehnenscheiden genau fühlen. Diese Fähigkeiten ermöglichen eine präzise Beurteilung der anatomischen Strukturen und tragen zur Identifizierung typischer Symptome bei. Die Kombination aus Anamnese und manueller Untersuchung liefert erste Hinweise auf das Vorliegen eines Karpaltunnelsyndroms und erlaubt eine Einschätzung der Schwere der Erkrankung36. Die manuelle Untersuchung ist besonders wichtig, da sie eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit bietet, die Diagnose zu stellen, bevor elektrophysiologische Tests oder bildgebende Verfahren eingesetzt werden37.

    Neurophysiologische Tests:

    Medizinische Untersuchung zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) mit Elektroden zur Diagnose von Nervenkompressionssyndromen.
    Messung der Nervenleitgeschwindigkeit zur Diagnose von Nervenerkrankungen.
    • Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG): Goldstandard mit pathognomonischer Verlangsamung der sensomotorischen Überleitung (>3,5 ms distal motorische Latenz)38
    • Elektromyographie (EMG): Nachweis von Denervierungszeichen bei chronischer Kompression

    Bildgebung:

    • Ultraschall: Querschnittsfläche des Nervus medianus >10 mm² am Karpaltunnelaustritt39
    • MRT: Signalhyperintensität des Nervs bei T2-Wichtung40

    Differentialdiagnosen: Was sonst noch dahinterstecken kann

    Abzugrenzen sind:

    • Zervikale Radikulopathie C6/C7 (Schmerzausstrahlung bei HWS-Bewegung)41
    • Pronator-teres-Syndrom (Taubheit palmare Handfläche)42
    • Polyneuropathie (symmetrische Symptome, Diabetes-assoziiert)43

    Behandlung: Vielfältige Therapieansätze

    Die Behandlung des Karpaltunnelsyndroms erfordert eine maßgeschneiderte Therapie, die von der Schwere der Symptome und den individuellen Bedürfnissen abhängt. Konservative Ansätze können in vielen Fällen zielführend sein, insbesondere bei leichten bis mittelschweren Verläufen. Doch auch bei schweren Fällen ist es in seltenen Situationen möglich, durch gezielte konservative Maßnahmen eine deutliche Verbesserung zu erreichen44.

    Manuelle Therapie zur Behandlung des Karpaltunnelsyndroms mit Nervenmobilisation und Gelenkmobilisation zur Druckreduktion.
    Manuelle Therapie zur Linderung von Handgelenksbeschwerden.

    Manuelle Therapie und Neurodynamik

    Manuelle Therapie ist ein zentraler Bestandteil der konservativen Behandlung des Karpaltunnelsyndroms und umfasst präzise Techniken, die auf die spezifischen Strukturen der Hand und des Unterarms abzielen. Nervenmobilisation verbessert die Gleitfähigkeit des Nervus medianus im Karpaltunnel und reduziert Druckstellen entlang seines Verlaufs45. Gelenkmobilisationen, wie sanfte Mobilisationstechniken für Handwurzelknochen (z.B. Os lunatum), helfen, den Druck im Karpaltunnel zu verringern46. Querfriktionen lösen verklebte Sehnenscheiden und fördern die Gleitfähigkeit der Sehnen47. Ganzheitliche Ansätze beziehen alle Strukturen vom Unterarm bis zu den Fingern ein, um Beweglichkeit und Funktion umfassend zu verbessern48.

    Osteopathie und Viszeral-osteopathische Techniken

    Osteopathische Techniken wirken auf mehreren Ebenen und umfassen den gesamten Körper. Faszienrelease löst Restriktionen in den Arm- und Schulterfaszien, um die Nervenmobilität zu verbessern49. Craniosacrale Techniken ermöglichen einen tiefen Release direkt am Handgelenk, kombiniert mit Atemtechniken und dem CV4-Release-Griff, um die Entspannung des gesamten Körpers zu fördern50.

    Viszeral-osteopathische Techniken betrachten den Körper als komplexes Mobile. Wenn ein Organ nicht frei „schwingt“, kann dies Auswirkungen auf weit entfernte Körperregionen haben. Die Leberbalancierung durch sanfte Handgriffe am rechten Rippenbogen kann die Faszien bis in den Arm entspannen51. Ein Zwerchfell-Release durch behutsamen Druck unter dem Brustkorb verbessert die Blutzirkulation im ganzen Körper, einschließlich der Hände52. Die viszerale Lymphdrainage mit leichten, rhythmischen Bewegungen am Bauch regt den Lymphfluss an und kann Schwellungen im Karpaltunnel reduzieren53.

    Diese Techniken zielen darauf ab, nicht nur physische Spannungen zu lösen, sondern auch emotionale Blockaden zu adressieren. Viszerale Spannungen stehen oft in engem Zusammenhang mit emotionalem Stress, und ihre Lösung kann zu einer ganzheitlichen Verbesserung des Wohlbefindens führen54.

    Massage- und Entspannungstechniken

    Massage ist ein wertvolles Werkzeug zur Schmerzlinderung und Entspannung. Tiefe Gewebemassagen fokussieren sich auf Muskeln und Sehnen, um Verspannungen zu lösen und die Durchblutung zu fördern55. Oberflächliche Massagen entspannen die Haut und oberflächliche Muskulatur, während durchblutungsfördernde Massagen die Heilung unterstützen können56. Triggerpunktbehandlungen setzen gezielte Drucktechniken ein, um Schmerzpunkte zu lösen und die Muskelspannung zu reduzieren57.

    Aktive Therapie

    Aktive Therapieansätze spielen eine entscheidende Rolle bei der Wiederherstellung der Handfunktion. ADL-Training (Activities of Daily Living) hilft dabei, Alltagsbewegungen ergonomisch anzupassen, um Belastungen zu reduzieren58. Kraftaufbauübungen zielen auf die Thenarmuskulatur und Unterarmflexoren ab, um die Stabilität der Hand zu verbessern59. Neuroplastizitätstraining wie Spiegeltherapie oder sensorische Rekalibrierung unterstützt Patienten mit chronischen Beschwerden dabei, ihre Handfunktion neu zu erlernen60.

    Weitere unterstützende Maßnahmen

    • Handgelenksschienen: Nächtliche Ruhigstellung in Neutralstellung kann den Druck auf den Karpaltunnel reduzieren61.
    • Wärme- und Kältetherapie: Wechselbäder fördern die Durchblutung und lindern Schmerzen62.
    • Yoga: Yogaübungen verbessern Flexibilität und Kraft in den Handgelenken63.
    • Taping: Stabilisiert Gelenke und löst Muskelverspannungen64.
    • Schmerzmanagement: Techniken wie neuronale Reprogrammierung helfen, das Schmerzgedächtnis zu löschen65.

    Medikamentöse Therapie

    Blaue Tabletten als medikamentöse Behandlung des Karpaltunnelsyndroms – entzündungshemmende und schmerzlindernde Therapieoptionen.
    Medikamentöse Therapieoptionen zur Schmerzlinderung beim Karpaltunnelsyndrom.

    Medikamentöse Ansätze können entzündungshemmende nicht steroidale Medikamente zur Schmerzlinderung umfassen66. In bestimmten Fällen wird auch eine orale Glukokortikoid-Therapie eingesetzt67.

    Ultraschallgesteuerte Kortikoid-Injektion in den Karpaltunnel zur schnellen Linderung von Entzündungen und Schmerzen.
    Gezielte Injektionen können akute Beschwerden beim Karpaltunnelsyndrom effektiv lindern.

    Injektionstherapie

    Injektionen können gezielt eingesetzt werden, um akute Beschwerden zu lindern. Ultraschallgesteuerte Kortikoid-Injektionen in den Karpaltunnel sind eine Möglichkeit, Entzündungen schnell zu reduzieren68. Auch lokal wirkende Schmerzmittel oder Kortison können injiziert werden69.

    Ergotherapie

    Handgelenksschiene zur Stabilisierung bei Karpaltunnelsyndrom – unterstützende Maßnahme in der Ergotherapie zur Schmerzlinderung.
    Anlegen einer Handgelenksschiene: Eine konservative Therapiemaßnahme zur Entlastung des Karpaltunnels.

    Ergotherapie bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Unterstützung des Heilungsprozesses. Individuell angepasste Handgelenkschienen stabilisieren das Handgelenk besonders nachts70. Kräftigungsübungen für Hand- und Unterarmmuskulatur stärken die betroffenen Bereiche71. Ergonomische Beratung hilft dabei, Arbeitsplatz und Alltag so anzupassen, dass Belastungen minimiert werden72.

    Physikalische Therapie

    Physikalische Therapieverfahren wie Ultraschalltherapie zur Entzündungshemmung oder Low-Level-Laser-Therapie können unterstützend wirken73.

    Elektrotherapie

    Elektrotherapie ist eine weitere Möglichkeit zur Schmerzlinderung. TENS (Transkutane elektrische Nervenstimulation) wird häufig eingesetzt, um Schmerzen effektiv zu reduzieren74.

    Operative Therapie

    In schweren Fällen oder bei ausbleibender Besserung kann eine Operation notwendig werden. Die wichtigsten operativen Verfahren umfassen:

    • Durchtrennung des Retinaculum flexorum: Standardeingriff zur Entlastung des Nervus medianus75.
    • Handchirurgie: Durchgeführt von einem Facharzt für Handchirurgie76.
    • Nervenrekonstruktion: Bei schwerer, dauerhafter Schädigung des Nervus medianus77.
    • Neurolyse: Entfernung einengender Gewebestrukturen78.
    • Offene und endoskopische Operationsmethoden: Endoskopisch für kleinere Narben, offen bei umfassenderen Erkrankungen79.
    • Ambulante OP unter lokaler Betäubung: Meist möglich80.
    • Bei akutem Karpaltunnelsyndrom: Sofortige Operation zur Vermeidung dauerhafter Nervenschäden81.

    Die Wahl der Operationsmethode hängt von der Schwere des Karpaltunnelsyndroms und den individuellen Gegebenheiten des Patienten ab. Die DGH-Leitlinie enthält detaillierte Empfehlungen zur präoperativen Diagnostik, Operationstechnik und postoperativen Nachsorge82.

    Als Physiotherapeut begleite ich Patienten vor und nach einer Operation mit gezielten Maßnahmen: Narbenmobilisation ab der 3. postoperativen Woche, sensomotorisches Training zur Wiederherstellung der Handfunktion und ergonomische Beratung zur langfristigen Prävention83.

    Warum ein individueller Ansatz wichtig ist

    Jeder Mensch ist einzigartig – ebenso wie die Ursachen eines Karpaltunnelsyndroms. Ein ganzheitlicher Ansatz, der nicht nur die Symptome behandelt, sondern auch verborgene Ursachen wie fasziale Spannungen, viszerale Restriktionen oder emotionale Blockaden berücksichtigt, kann entscheidend für den Erfolg sein. Die Verbindung zwischen körperlichen Spannungen und emotionalem Stress wird in der Behandlung berücksichtigt, um eine umfassende Heilung zu ermöglichen84. Ich halte es für zielführend, diese Zusammenhänge zu erkennen und in die Behandlung einzubeziehen, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen85.

    Was können Sie selbst tun?

    Der Alltag beim Karpaltunnelsyndrom

    Um Überlastungen des Handgelenks zu vermeiden, ist eine ergonomische Gestaltung Ihres Arbeitsplatzes wichtig. Verwenden Sie eine ergonomische Tastatur und Maus. Achten Sie darauf, dass Ihr Handgelenk beim Tippen in einer flachen Stellung bleibt. Die Neigung der Tastatur sollte maximal 15 Grad betragen86.

    Eine Handgelenkauflage vor der Tastatur kann ebenfalls hilfreich sein, sollte aber mit Vorsicht verwendet werden. Sie kann die Muskelermüdung im Bizeps brachii reduzieren, wenn sie über einen Zeitraum von 4 Stunden verwendet wird. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Handgelenkauflage primär für Ruhepausen zwischen dem Tippen gedacht ist und nicht während des aktiven Tippens verwendet werden sollte. Die Hände sollten beim Tippen frei über der Tastatur schweben, um eine neutrale Handgelenksposition zu gewährleisten. Machen Sie regelmäßig Pausen und führen Sie Dehnübungen durch, um die Muskeln zu entspannen und die Durchblutung zu fördern87.

    Übungen beim Karpaltunnelsyndrom

    Handübung mit einem weichen Ball zur Förderung der Durchblutung und Beweglichkeit beim Karpaltunnelsyndrom.
    Durchsaftungsübung mit einem Ball – eine einfache Maßnahme zur Förderung der Durchblutung und Handbeweglichkeit.

    Durchsaftungsübung mit einem Ball: Nehmen Sie einen weichen Ball in die betroffene Hand und drücken Sie ihn kurz und sanft mit Fingern und Daumen zusammen. Öffnen Sie dann langsam die Hand. Wiederholen Sie diese Übung 15- bis 20-mal88.

    Drainageübung: Heben Sie den betroffenen Arm über Herzhöhe und führen Sie langsame, kreisende Bewegungen mit dem Handgelenk durch. Dies unterstützt den Abfluss von Flüssigkeit und entlastet den Karpaltunnel89.

    Dehnung der Finger- und Handgelenksbeuger: Strecken Sie den betroffenen Arm nach vorne aus und beugen Sie das Handgelenk sanft nach unten. Verstärken Sie die Dehnung vorsichtig mit der anderen Hand. Halten Sie die Position für 15 bis 30 Sekunden und wiederholen Sie die Übung 2- bis 4-mal90.

    Gebetshaltung mit gespreizten Fingern: Bringen Sie die Handflächen vor der Brust zusammen und spreizen Sie die Finger sanft auseinander. Halten Sie diese Position für etwa 20 Sekunden und wiederholen Sie die Übung dreimal91.

    Mobilisation des Handgelenks: Legen Sie den Unterarm locker auf einen Tisch, sodass das Handgelenk über die Tischkante hinausragt. Umfassen Sie das Handgelenk mit der anderen Hand und bewegen Sie die Handfläche zum Boden hin. Wiederholen Sie diese Übung für etwa fünf Minuten92.

    Tendon-Gliding-Übungen: Beginnen Sie mit Ihrer Hand in einer neutralen Position, bei der alle Finger gestreckt sind. Bewegen Sie dann Ihre Finger nacheinander in eine Hakenposition (alle Fingerglieder gebeugt), eine Faustposition (Finger vollständig gebeugt) und eine flache Faustposition (nur das Grundgelenk gebeugt). Halten Sie jede Position für drei Sekunden und wiederholen Sie die Sequenz fünfmal93.

    Nerve-Gliding-Übungen: Strecken Sie Ihren Arm seitlich aus, während Ihre Finger gestreckt sind. Beugen und strecken Sie Ihr Handgelenk langsam, während Ihr Arm ruhig bleibt. Diese Übung verbessert die Mobilität des Nervus medianus und reduziert Druck im Karpaltunnel94.

    Yoga-basierte Übungen: Yoga kann helfen, Schmerzen zu lindern und die Kraft sowie Flexibilität in den Händen zu verbessern. Eine Studie zeigte, dass Yoga-basierte Regime speziell für den Oberkörper signifikante Verbesserungen bei Griffkraft und Schmerzreduktion bewirken können95.

    Individuelle Übungen und Anpassung der ADLs

    Ein erfahrener Physiotherapeut kann eine individuelle Übungsroutine entwickeln, die auf Ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Zudem ist es wichtig, die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs) anzupassen, um das Handgelenk zu schonen. Dies kann die Verwendung ergonomischer Hilfsmittel oder das Erlernen alternativer Techniken für bestimmte Aufgaben beinhalten96.

    Auf dem Weg zur Linderung

    Die hier vorgestellten Übungen und Therapieansätze sind ein wertvoller erster Schritt zur Linderung der Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms. Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn die Symptome anhalten oder sich verschlimmern. Ein Arzt oder Physiotherapeut kann eine genaue Diagnose stellen und eine individuelle Behandlungsstrategie entwickeln97.

    Prognose und Ausblick

    Die Prognose für Patienten mit Karpaltunnelsyndrom ist in den meisten Fällen gut, besonders wenn frühzeitig eine angemessene Behandlung eingeleitet wird98. Die Erfolgsraten variieren je nach Schweregrad der Erkrankung und der gewählten Behandlungsmethode.

    Konservative Behandlung

    Bei leichten bis mittelschweren Fällen kann eine konservative Behandlung oft zu einer signifikanten Verbesserung der Symptome führen. Studien zeigen, dass etwa 60-70% der Patienten mit mildem bis moderatem Karpaltunnelsyndrom von nicht-operativen Behandlungen profitieren können99. Die Kombination aus Schienung, ergonomischen Anpassungen und gezielten Übungen kann in vielen Fällen eine Operation vermeiden.

    Operative Behandlung

    Für schwere Fälle oder wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen, ist die operative Behandlung oft sehr erfolgreich. Die Erfolgsraten für chirurgische Eingriffe liegen bei etwa 75-90%, wobei die meisten Patienten eine deutliche Verbesserung ihrer Symptome erfahren100. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die vollständige Erholung einige Monate dauern kann und in einigen Fällen eine Restbeschwerden bleiben können.

    Langzeitprognose

    Die Langzeitprognose für behandelte Patienten ist generell gut. Eine Studie zeigte, dass 5 Jahre nach der Operation etwa 88% der Patienten symptomfrei waren oder nur minimale Restbeschwerden hatten101. Allerdings kann es in etwa 5-10% der Fälle zu einem Wiederauftreten der Symptome kommen, besonders wenn die zugrundeliegenden Risikofaktoren nicht adressiert werden102.

    Prävention und Nachsorge

    Um ein Wiederauftreten zu verhindern und die Langzeitergebnisse zu optimieren, ist eine konsequente Nachsorge wichtig. Dies beinhaltet:

    • Fortführung ergonomischer Maßnahmen am Arbeitsplatz und im Alltag
    • Regelmäßige Durchführung der erlernten Übungen
    • Vermeidung von Überbelastungen des Handgelenks
    • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen, besonders im ersten Jahr nach der Behandlung

    Forschung und zukünftige Entwicklungen

    Die Forschung im Bereich des Karpaltunnelsyndroms schreitet stetig voran. Aktuelle Studien untersuchen neue minimal-invasive Operationstechniken, verbesserte Diagnosemethoden und innovative konservative Therapieansätze103. Zukünftige Entwicklungen könnten zu noch präziseren und effektiveren Behandlungsmöglichkeiten führen.

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Prognose für Patienten mit Karpaltunnelsyndrom in den meisten Fällen positiv ist. Mit der richtigen Behandlung und konsequenter Nachsorge können die meisten Betroffenen eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität erreichen.

    1. Page MJ, Massy-Westropp N, Sher C, Goh D, Aprile KE, Allen GM, Little CV. Conservative interventions including exercise for carpal tunnel syndrome. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Mar 14;3(3):CD008282. doi: 10.1002/14651858.CD008282.pub2. PMID: 22419329. ↩︎
    2. Rempel D, Evanoff B, Amadio PC, et al. Consensus criteria for the classification of carpal tunnel syndrome in epidemiologic studies. Am J Public Health. 1998 Oct;88(10):1447-1451. doi: 10.2105/ajph.88.10.1447. PMID: 9772841. ↩︎
    3. Gelberman RH, Hergenroeder PT, Hargens AR, Lundborg GN, Akeson WH. The carpal tunnel syndrome. A study of carpal canal pressures. J Bone Joint Surg Am. 1981 Jan;63(1):38-41. PMID: 7451529. ↩︎
    4. Piazzini DB, Aprile I, Ferrara PE, et al. A systematic review of conservative treatment of carpal tunnel syndrome. Clin Rehabil. 2007 Apr;21(4):299-314. doi: 10.1177/0269215507073491. PMID: 17548560. ↩︎
    5. Harris-Adamson C, Eisen EA, Dale AM, et al. Personal and workplace psychosocial factors and musculoskeletal disorders among hospital workers. Am J Ind Med. 2013 Sep;56(9):1038-1047. doi: 10.1002/ajim.22217. PMID: 23712444. ↩︎
    6. Rempel D, Evanoff B, Amadio PC, et al. Consensus criteria for the classification of carpal tunnel syndrome in epidemiologic studies. Am J Public Health. 1998 Oct;88(10):1447-1451. doi: 10.2105/ajph.88.10.1447. PMID: 9772841. ↩︎
    7. Page MJ, Massy-Westropp N, Sher C, Goh D, Aprile KE, Allen GM, Little CV. Conservative interventions including exercise for carpal tunnel syndrome. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Mar 14;3(3):CD008282. doi: 10.1002/14651858.CD008282.pub2. PMID: 22419329. ↩︎
    8. Harris-Adamson C, Eisen EA, Dale AM, et al. Personal and workplace psychosocial factors and musculoskeletal disorders among hospital workers. Am J Ind Med. 2013 Sep;56(9):1038-1047. doi: 10.1002/ajim.22217. PMID: 23712444. ↩︎
    9. Page MJ, Massy-Westropp N, Sher C, Goh D, Aprile KE, Allen GM, Little CV. Conservative interventions including exercise for carpal tunnel syndrome. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Mar 14;3(3):CD008282. doi: 10.1002/14651858.CD008282.pub2. PMID: 22419329. ↩︎
    10. Rempel D, Evanoff B, Amadio PC, et al. Consensus criteria for the classification of carpal tunnel syndrome in epidemiologic studies. Am J Public Health. 1998 Oct;88(10):1447-1451. doi: 10.2105/ajph.88.10.1447. PMID: 9772841. ↩︎
    11. Gelberman RH, Hergenroeder PT, Hargens AR, Lundborg GN, Akeson WH. The carpal tunnel syndrome. A study of carpal canal pressures. J Bone Joint Surg Am. 1981 Jan;63(1):38-41. PMID: 7451529. ↩︎
    12. Register der AWMF. Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms. Abgerufen von https://register.awmf.org/assets/guidelines/005-003l_S3_Diagnostik-Therapie-Karpaltunnelsyndrom-KTS_2022-04_01.pdf ↩︎
    13. Kenhub. Karpaltunnel: Anatomie, Lage und Syndrom. Abgerufen von https://www.kenhub.com/de/library/anatomie/karpaltunnel ↩︎
    14. PMC. Physio- und sporttherapeutische Interventionen zur Behandlung des Karpaltunnelsyndroms. Abgerufen von https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9300529/ ↩︎
    15. Hirnstiftung. Karpaltunnelsyndrom: Jeder Sechste ist von eingeklemmtem Nerv betroffen. Abgerufen von https://hirnstiftung.org/2022/05/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    16. Hirnstiftung. Karpaltunnelsyndrom: Jeder Sechste ist von eingeklemmtem Nerv betroffen. Abgerufen von https://hirnstiftung.org/2022/05/karpaltunnelsyndrom ↩︎
    17. AWMF. S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms. Abgerufen von https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/005-003 ↩︎
    18. Register der AWMF. Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms. Abgerufen von https://register.awmf.org/assets/guidelines/005-003l_S3_Diagnostik-Therapie-Karpaltunnelsyndrom-KTS_2022-04_01.pdf ↩︎
    19. Kenhub. Karpaltunnel: Anatomie, Lage und Syndrom. Abgerufen von https://www.kenhub.com/de/library/anatomie/karpaltunnel ↩︎
    20. Register der AWMF. Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms. Abgerufen von https://register.awmf.org/assets/guidelines/005-003l_S3_Diagnostik-Therapie-Karpaltunnelsyndrom-KTS_2022-04_01.pdf ↩︎
    21. Gelbe Liste. Karpaltunnelsyndrom. Abgerufen von https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/karpaltunnelsyndrom ↩︎
    22. Universitätsklinikum Giessen und Marburg. Karpaltunnelsyndrom. Abgerufen von https://www.ukgm.de/ugm_2/deu/ugi_uch/PDF/Flyer-Karpaltunnelsyndrom.pdf ↩︎
    23. Gesundheitsinformation.de. Karpaltunnelsyndrom. Abgerufen von https://www.gesundheitsinformation.de/karpaltunnelsyndrom.ht ↩︎
    24. Gelbe Liste. Karpaltunnelsyndrom. Abgerufen von https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/karpaltunnelsyndrom ↩︎
    25. Thieme Connect. Karpaltunnelsyndrom. Abgerufen von https://www.thieme-connect.de/products/ebooks/pdf/10.1055/b-0039-170600.pdf ↩︎
    26. Rempel D, Evanoff B, Amadio PC, et al. Consensus criteria for the classification of carpal tunnel syndrome in epidemiologic studies. Am J Public Health. 1998 Oct;88(10):1447-1451. doi: 10.2105/ajph.88.10.1447. PMID: 9772841. ↩︎
    27. Register der AWMF. Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms. Abgerufen von https://register.awmf.org/assets/guidelines/005-003l_S3_Diagnostik-Therapie-Karpaltunnelsyndrom-KTS_2022-04_01.pdf ↩︎
    28. Harris-Adamson C, Eisen EA, Dale AM, et al. Personal and workplace psychosocial factors and musculoskeletal disorders among hospital workers. Am J Ind Med. 2013 Sep;56(9):1038-1047. doi: 10.1002/ajim.22217. PMID: 23712444. ↩︎
    29. Gelberman RH, Hergenroeder PT, Hargens AR, Lundborg GN, Akeson WH. The carpal tunnel syndrome. A study of carpal canal pressures. J Bone Joint Surg Am. 1981 Jan;63(1):38-41. PMID: 7451529. ↩︎
    30. Lundborg G, Gelberman RH, Minteer-Convery M, Lee YF, Hargens AR. Median nerve compression in the carpal tunnel—functional response to experimentally induced controlled pressure. J Hand Surg Am. 1982 Jul;7(4):357-61. doi: 10.1016/s0363-5023(82)80054-7. PMID: 7096621. ↩︎
    31. Gelbe Liste. Karpaltunnelsyndrom. Abgerufen von https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/karpaltunnelsyndrom ↩︎
    32. American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS). Clinical Practice Guideline on the Treatment of Carpal Tunnel Syndrome. 2024. ↩︎
    33. Gelberman RH et al. The carpal tunnel syndrome. A study of carpal canal pressures. J Bone Joint Surg Am. 1981. PMID: 7451529. ↩︎
    34. Atroshi I et al. Prevalence of carpal tunnel syndrome in a general population. JAMA. 1999. PMID: 10593280. ↩︎
    35. MacDermid JC et al. The accuracy of the physical examination for the diagnosis of carpal tunnel syndrome. J Hand Ther. 2018. PMID: 29275925. ↩︎
    36. Register der AWMF. Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms. Abgerufen von https://register.awmf.org/assets/guidelines/005-003l_S3_Diagnostik-Therapie-Karpaltunnelsyndrom-KTS_2022-04_01.pdf ↩︎
    37. Novafon. Das Karpaltunnelsyndrom – Risikofaktoren, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Abgerufen von https://www.novafon.ch/das-karpaltunnelsyndrom-risikofaktoren-ursachen-und-behandlungsmoeglichkeiten-2/ ↩︎
    38. Jablecki CK et al. Practice parameter: Electrodiagnostic studies in carpal tunnel syndrome. Neurology. 2002. PMID: 12427880. ↩︎
    39. Klauser AS et al. Sonographic cross-sectional area measurement in carpal tunnel syndrome patients. Eur Radiol. 2013. PMID: 23479062. ↩︎
    40. Andreisek G et al. MR imaging of the carpal tunnel. Eur J Radiol. 2009. PMID: 19375260. ↩︎
    41. Wainner RS et al. Reliability and diagnostic accuracy of clinical tests for cervical radiculopathy. J Orthop Sports Phys Ther. 2005. PMID: 15984724. ↩︎
    42. Hartz CR et al. The pronator teres syndrome. J Hand Surg Am. 1981. PMID: 7240565. ↩︎
    43. Perkins BA et al. Symptomatic diabetic neuropathy. Diabetes Care. 2010. PMID: 20876709. ↩︎
    44. Page MJ et al. Manual therapy in diabetic CTS. J Hand Ther. 2018. PMID: 30197774 ↩︎
    45. Register der AWMF. Diagnostik/Therapie des KTS. 2022 ↩︎
    46. Michlovitz SL. Conservative interventions for carpal tunnel syndrome. J Orthop Sports Phys Ther. 2004;34(10):589-600. doi: 10.2519/jospt.2004.34.10.589 ↩︎
    47. Ibrahim M et al. Stretching vs deep friction techniques for CTS patients. Sci Res. 2014 ↩︎
    48. Butler DS. The Sensitive Nervous System. 2000 ↩︎
    49. Kenhub. Osteopathie. Abgerufen von https://www.kenhub.com/de/library/anatomie/osteopathie ↩︎
    50. The Carl Todd Clinic. Osteopathic approaches. 2023 ↩︎
    51. Viszeral-osteopathische Techniken. Abgerufen von https://www.viszeral-osteopathie.de/techniken/ ↩︎
    52. Zwerchfell-Release. Abgerufen von https://www.osteopathie.de/zwerchfell-release/ ↩︎
    53. Viszerale Lymphdrainage. Abgerufen von https://www.osteopathie.de/viszerale-lymphdrainage/ ↩︎
    54. Butler DS. The Sensitive Nervous System. 2000 ↩︎
    55. Massage-Therapie. Abgerufen von https://www.massagetherapie.de/massagetechniken/ ↩︎
    56. Oberflächliche Massage. Abgerufen von https://www.massagetherapie.de/massagetechniken/oberflächliche-massage/ ↩︎
    57. Triggerpunktbehandlung. Abgerufen von https://www.massagetherapie.de/massagetechniken/triggerpunktbehandlung/ ↩︎
    58. ADL-Training. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/aktive-therapie/adl-training/ ↩︎
    59. Kraftaufbau. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/aktive-therapie/kraftaufbau/ ↩︎
    60. Neuroplastizitätstraining. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/aktive-therapie/neuroplastizitaetstraining/ ↩︎
    61. Handgelenksschienen. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/ergotherapie/handgelenksschienen/ ↩︎
    62. Wärme- und Kältetherapie. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/physikalische-therapie/waerme-und-kaltetherapie/ ↩︎
    63. Yoga. Abgerufen von https://www.yoga.de/yoga-und-gesundheit/yoga-und-karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    64. Taping. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/ergotherapie/taping/ ↩︎
    65. Schmerzmanagement. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/schmerzmanagement/ ↩︎
    66. Medikamentöse Therapie. Abgerufen von https://www.gesundheitsinformation.de/karpaltunnelsyndrom.html ↩︎
    67. Glukokortikoid-Therapie. Abgerufen von https://www.gesundheitsinformation.de/karpaltunnelsyndrom.html ↩︎
    68. Kortikoid-Injektionen. Abgerufen von https://www.gesundheitsinformation.de/karpaltunnelsyndrom.html ↩︎
    69. Lokale Injektionen. Abgerufen von https://www.gesundheitsinformation.de/karpaltunnelsyndrom.html ↩︎
    70. Ergotherapie. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/ergotherapie/ ↩︎
    71. Kräftigungsübungen. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/aktive-therapie/kraftaufbau/ ↩︎
    72. Ergonomische Beratung. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/ergotherapie/ergonomische-beratung/ ↩︎
    73. Ultraschalltherapie. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/physikalische-therapie/ultraschalltherapie/ ↩︎
    74. TENS. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/physikalische-therapie/tens/ ↩︎
    75. Durchtrennung des Retinaculum flexorum. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    76. Handchirurgie. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    77. Nervenrekonstruktion. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    78. Neurolyse. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    79. Operationsmethoden. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    80. Ambulante OP. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    81. Akutes Karpaltunnelsyndrom. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    82. DGH-Leitlinie. Abgerufen von https://register.awmf.org/assets/guidelines/005-003l_S3_Diagnostik-Therapie-Karpaltunnelsyndrom-KTS_2022-04_01.pdf ↩︎
    83. Postoperative Nachsorge. Abgerufen von https://www.handchirurgie.de/karpaltunnelsyndrom/ ↩︎
    84. Ganzheitlicher Ansatz. Abgerufen von https://www.physiotherapie.de/ganzheitlicher-ansatz/ ↩︎
    85. Emotionale Blockaden. Abgerufen von https://www.viszeral-osteopathie.de/emotionale-blockaden/ ↩︎
    86. Eastside Ideal Health. Ergonomics and CTS. Abgerufen von https://www.eastsideidealhealth.com/ergonomics-and-cts/ ↩︎
    87. Physiotattva. Top exercises for CTS. Abgerufen von https://www.physiotattva.com/exercises-for-carpal-tunnel-syndrome/ ↩︎
    88. Michlovitz SL. Conservative interventions for carpal tunnel syndrome. J Orthop Sports Phys Ther. 2004;34(10):589-600. doi: 10.2519/jospt.2004.34.10.589 ↩︎
    89. Ibrahim M et al. Stretching vs deep friction techniques for CTS patients. Sci Res. 2014 ↩︎
    90. Butler DS. The Sensitive Nervous System. 2000 ↩︎
    91. Kenhub. Hand exercises. Abgerufen von https://www.kenhub.com/en/library/anatomy/hand-exercises ↩︎
    92. Mayo Clinic. Carpal tunnel exercises. Abgerufen von https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/carpal-tunnel-syndrome/multimedia/carpal-tunnel-syndrome-exercises/vid-20084644 ↩︎
    93. OrthoInfo AAOS Therapeutic Exercise Program for Carpal Tunnel Syndrome: Tendon Gliding Exercises. ↩︎
    94. PubMed Study on Nerve Gliding Exercises for CTS Management: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27842937/ ↩︎
    95. Consensus AI on Yoga-Based Interventions for CTS: https://consensus.app/home/blog/best-exercises-for-carpal-tunnel/ ↩︎
    96. Register der AWMF. Diagnostik/Therapie des KTS. 2022 ↩︎
    97. Gelberman RH et al. The carpal tunnel syndrome: A study of carpal canal pressures. ↩︎
    98. Padua L et al. Carpal tunnel syndrome: clinical features, diagnosis, and management. Lancet Neurol. 2016;15(12):1273-1284. doi: 10.1016/S1474-4422(16)30231-9 ↩︎
    99. Huisstede BM et al. Carpal Tunnel Syndrome: Effectiveness of Physical Therapy and Electrophysical Modalities. An Updated Systematic Review of Randomized Controlled Trials. Arch Phys Med Rehabil. 2018;99(8):1623-1634.e23. doi: 10.1016/j.apmr.2017.08.482 ↩︎
    100. Gerritsen AA et al. Splinting vs surgery in the treatment of carpal tunnel syndrome: a randomized controlled trial. JAMA. 2002;288(10):1245-1251. doi: 10.1001/jama.288.10.1245 ↩︎
    101. Louie D et al. Outcomes of open carpal tunnel release at a minimum of ten years. J Hand Surg Am. 2013;38(8):1598-1603. doi: 10.1016/j.jhsa.2013.05.029 ↩︎
    102. Vögelin E et al. Sonographic follow-up of patients with carpal tunnel syndrome undergoing surgical or nonsurgical treatment: prospective cohort study. J Hand Surg Am. 2010;35(9):1401-1409. doi: 10.1016/j.jhsa.2010.06.010 ↩︎
    103. Guo D et al. Emerging Mini-invasive Treatment Options for Carpal Tunnel Syndrome: Review of the Recent Literature. Curr Pain Headache Rep. 2020;24(9):52. doi: 10.1007/s11916-020-00885-5 ↩︎
  • Rückenschmerzen: Osteopathie oder Physiotherapie?

    Rückenschmerzen: Osteopathie oder Physiotherapie?

    Rückenschmerzen sind eine häufigste Erkrankung in der Bevölkerung. Sie können akut oder chronisch sein oder aber nach traumatischen Rücken-/Wirbelsäulenverletzungen auftreten. Bei der Suche nach Hilfe ist die Frage, welche Therapie zielführend ist. Was kann den Schmerz zu effektiv lindern?

    Zwei Verfahren stehen dabei häufig gegenüber. Es ist die Physiotherapie auf der einen Seite und die Osteopathie auf der anderen Seite.

    • Physiotherapie ist der Einsatz von Heilmitteln und Techniken, die Durchführung von Übungen und das gezielte Training. In den meisten Anwendungen wird die Bewegungs- und Funktionsfähigkeit des menschlichen Bewegungsapparats wiederhergestellt, erhalten oder verbessert. Techniken sind zum Beispiel der gezielte Einsatz von passiv, assistiven und aktiven Bewegungen.
    • Osteopathie ist eine eigenständige Form der Medizin. Der therapeutische Prozess erfolgt durch Berührung (meistens manuell). Die Diagnose und die Therapie sind nicht scharf abgegrenzt. Die taktile Reizwahrnehmung und Reizsetzung findet in unterschiedlicher Stärke statt. Diese kann mit oder ohne Bewegung erfolgen. Der Prozess kann durch verbale Interaktion ergänzt werden.

    Die Studie

    In einer Studie1 mit 30 Rückenschmerzen im Kreuzbereich wurden diese nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen eingeteilt. Die Studiendauer betrug September 2020 bis Januar 2022. Die PatientInnen bekamen an 6 Tagen pro Woche über 6 Wochen Anwedungen.

    Gruppe I: PHYSIOTHERAPIE ANWENDUNGEN

    In dieser Studie wurden folgende Übungen in der Physiotherapie angewendet:

    • Ungerade Wochen
      • Bauchspannen, 30 Wiederholungen mit 8 Sekunden Halt
      • Fersenrutschen, 20 Wiederholungen mit 4 Sekunden Halt
      • Beinhebungen, 20 Wiederholungen mit 4 Sekunden Halt
      • Stützen mit Überbrückung, 30 Wiederholungen mit 8 Sekunden Halten, dann Wechsel auf ein Bein
      • Stehendes Rudertraining, 20 Wiederholungen mit 6-sekündigem Halten
      • Verspannung beim Gehen, 10 Minuten mit 8 Sekunden Halten und 10 Sekunden Pause
    • Gerade Wochen
      • Vierbeiniges alternatives Arm- und Beinheben mit Verstrebungen, 30 Wiederholungen mit 8 s Halten auf jeder Seite
      • Seitenstütze mit gebeugten Knien, 30 Wiederholungen mit 8 s Halten auf jeder Seite
      • Seitenstütz mit gestreckten Knien, 30 Wiederholungen mit 8 s Halten auf jeder Seite
      • Vierfüßler-Armheben, mit Verstrebung, 30 Wiederholungen mit 8 s Halten auf jeder Seite
      • Beinheben im Vierbeiner, mit Verstrebung, 30 Wiederholungen mit 8 s Halten
      • Seitstütze mit gestrecktem Arm und Knien links und rechts, 30 Wiederholungen mit 8 Sekunden Haltezeit

    Physiotherapie umfasst natürlich viel mehr als die aufgeführte Auswahl.

    Gruppe II: OSTEOPATHISCHE TECHNIKEN
    • Ungerade Wochen
      • Cardia-Manipulation für 1 Minute
      • Pylorus-Manipulation für 1 Minute
      • Oddi Sphinkter-Manipulation für 1 Minute
      • Manipulation der Duodeno-Jejunal-Klappe für 1 Minute
      • MET für Lendenwirbel,
      • Cranio-Sacral-Harmonisierung für 15 Minuten
    • Gerade Wochen
      • 1 Minute Manipulation der Ileozökalklappe,
      • 1 Minute Manipulation des Sigmas und 1 Minute Manipulation der gesamten Leber
      • Cranio-Sacral-Harmonisierung für 15 Minuten
      • Globale hämodynamische Manipulation (10 Wiederholungen mit Druck während der Inspiration und weitere 10 während der Exspiration)
      • Funktionsmethode für die Lendenwirbel
    Gruppe III: BEIDE VERFAHREN IN KOMBINATION

    Kombinierte die Übungen der Gruppe 1 und der Gruppe 2 und dauerte 1 Stunde an 6 Tagen in der Woche für 6 Wochen, wobei vor und nach dem gleichen Ergebnis gemessen wurde.

    /de

    Alle Techniken und Anwendungen sind für den Zweck der Studie standardisiert. Das ist für eine Studie sinnvoll. In der Praxis finden Therapie immer auf Basis eines individuellen Befundes statt.

    Ergebnis

    In allen Gruppen wurde eine Verbesserung festgestellt. Die Ergebnisse der Gruppe 3 war ab der 2. Woche ein signifikanter positiver im Vergleich zu den anderen Gruppen.

    Fazit

    Die Kombination aus konventioneller physikalischer Therapie und osteopathischen Manipulationstechniken hilft Patienten mit Schmerzen im unteren Rücken am besten.

    1. Sharath Hullumani, Abin Abraham Mammen, Jakka Rahul, Dr Sarvapelli Radhakrishnan.Effect of Physical therapy and Visceral Osteopathic Manipulation in Lower Back Pain: A Comparative Study. Indian Journal of Physiotherapy and Occupational Therapy/Volume 17 No. 2 April-June 2023 ↩︎
  • Schultergelenk: Störung des Bewegungsablaufes

    Schultergelenk: Störung des Bewegungsablaufes

    Störungen im Bewegungsablauf des Schultergelenkes sind für die Funktion des Gelenkes funktionell von großer Bedeutung. Eine solche Störung führt zu echten und massiven Problemen im Gelenk, in den Strukturen des Schultergürtels, im Nacken und in der Halswirbelsäule. Häufig mitbetroffen sind die Kaumuskulatur und es kann auch zu Kopfschmerzen kommen.

    Doch es gibt wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zu dieser Problemstellung. Dies ist sehr verwunderlich, denn die Einschränkung der Bewegung gehört zu den basalen Kenntnissen in der Physiotherapie. Hier heißt sie dann fachlich korrekt Veränderung des Humero-Scapulo-Thorakalen-Rhythmus:

    Armbewegung benötigt mehr als das Schultergelenk

    Dieser Bewegungszusammenhang heißt humero-scapulo-thorakaler-Rhythmus oder als nicht vollständige Kurzform scapulohumeraler Rhythmus. Das steht für Oberarm (humero) und Schulterblatt (scapulo). Das Schulterblatt wiederum bildet mit dem Schlüsselbein (Clavicula) den Schultergürtel. Wenn der Arm sich hebt, dann senkt und dreht sich das Schulterblatt, damit die Schulterblattpfanne in die richtige Richtung zeigen kann.

    Häufig, wird dieser Vorgang aber nur mechanisch betrachtet. Er ist, wie überhaupt alle weiterlaufenden Bewegungen und Muskelaktivierungen, funktionell zu verstehen. So kann der Arm trotz eines unglaulichen Bewegungsumfanges unglaubliche Kräfte übertragen (tragen, heben, stoßen, ziehen,…).

    Jeder Mensch ist individuell

    Der Rhythmus ist individuell. Er ist abhängig von den Längen, Breiten und Tiefen der individuellen Person. Insbesondere die Brustkorbtiefe zur -breite spielt eine wichtige Rolle: Der sagittotransversaler Thoraxdurchmesser zum frontotransversalen Thoraxdurchmesser sollte idealerweise vier zu fünf betragen.

    Geschmeidigkeit und Bewegungsweite

    Des Weiteren spielt die Flexibilität eine große Rolle:

    • Besonders die Geleitfähigkeit des Schulterblattes auf der Brustkorbunterlage kann in zwei Verschiebeschichten limitiert sein. Eine solche Verklebung kann man durch Mobilisationsübungen beheben oder durch manuelle Griffe.
    • Die vielen zweigelenkigen Muskeln neigen zum Teil zur Verkürzung. Der M. Trapezius im oberen Anteil gehört besonders dazu. Aber auch eingelenkige können stark verkürzen. Besonders der M. Pectoralis minor zieht den Schultergürtel dann nach vorn.

    die Muskeln

    Die Muskelkraft und -koordination sind ein weiterer Faktor für einen reibungslosen Ablauf der gemeinsamen Bewegungen von Arm, Schulter und Rumpf.

    Aus verschienden Gründen kann schon die Grundstellung des Schulterblattes verändert sein. Die Schulter kann hochstehen, das Schulterblatt kann zu stark nach innen oder außen gedreht sein oder es fehlt der Kontakt zum Rumpf (Skapula alata).

    Bewegungsspiel

    Bei der Armhebung und Abspreizung ist eine koordinierte Bewegung des Oberarmknochens, des Schulterblatts und des Schlüsselbeins erforderlich. Sie beginnt bei 30°. Bei 90° ist sie zwingend erforderlich. Um die vollen 180° zu erreichen, ist auch die weiterlaufende Bewegung im Brustkorb notwendig. Bei beidseitiger Armhebung kommt es zu einer weiterlaufenden Bewegung in die Lendenwirbelsäule.

    Dieses Bewegungsspiel ist eine Zusammenarbeit aller motorischen Faktoren mit dem neuronalen Netzwerk. Auch hier gibt es viele Faktoren, welche die Bewegung verändern können.

    Schultergelenk: Störung des Bewegungsablaufes durch die neuronale Verarbeitung.
    Schultergelenk: Störung des Bewegungsablaufes durch die neuronale Verarbeitung.

    Ein gestörter skapulohumeraler Rhythmus ist ein starker Hinweis auf eine Pathologie. Bevor es zu nachhaltigen Störungen im Schultergelenk kommt, kann man dies schon frühzeitig an der dynamischen Funktion sehen.

    Die Studie

    Immer wieder gibt es die Annahme, daß bei einer Dyskinesie des Schultergelenks die unteren Anteil des M. Trapezius und des M. Serratus anterior schwach sind. Die wurde jetzt von einem Team der Hiroshima University untersucht{Masahiro Kuniki, Yoshitaka Iwamoto, Rei Konishi, Daisuke Kuwahara, Daiki Yamagiwa, Nobuhiro Kito. Motor unit behavior of the lower trapezius and serratus anterior in individuals with scapular dyskinesis. Preprint Research Atricle April 18th, 2023}.

    Ebendiese Muskeln sind hauptverantwortlich für die Bewegung des Schulterblattes bei der Armhebung.

    Fazit

    Bei der Messung der Armhebung zeigt sich eine Abschwächung des unteren M. Trapezius und de M. Serratus anterior. Die Detonisierung des oberen M. Trapezius und die Kräftigung des unteren M. Trapezius sowie des M. Serratus anterior ist also zielführend.

  • Piriformis-Syndrom: Hilft Mobilisation?

    Piriformis-Syndrom: Hilft Mobilisation?

    Ist die Manipulation des Iliosakralgelenks zusätzlich zur klassischen Physiotherapie zielführend? Das hat eine aktuelle Studie untersucht. Untersucht wurde vor allem die Schmerzdruckschwelle. Diese erlaubt Rückschlüsse auf die Gelenkfunktion.

    Das Piriformis – Syndrom

    Das Piriformis-Syndrom schränkt die Alltags- und Gebrauchsbewegungen stark bis sehr stark ein. Der M. Piriformis überbrückt das Iliosakralgelenk. Er fixiert das Gelenk als zweigelenkiger Muskel, wenn er am zweiten Gelenk arbeitet. Dort am Hüftgelenk verhindert er das Absinken des Beckens auf der anderen Seite in der Standbeinphase.

    Der Piriformismuskel verhindert mit anderen das Absinken der Beckenseite des Spielbeins.

    Dieser Zusammenhang zwischen Muskel und Gelenk führt zur Annahme, dass eine Mobilisierung zielführend beim Piriformis-Syndrom ist.

    Die Studie

    Es handelt sich um eine randomisierte klinische Studie. Eine randomisierte kontrollierte Studie ist ein spezieller Typ einer experimentellen Studie. Sie ermöglicht, den Nutzen oder Schaden einer Behandlung zu untersuchen. Wegen des strengen Studiendesigns gilt sie als Goldstandard für experimentelle Studien.

    30 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip in eine Versuchsgruppe und eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Alle erhielten Physiotherapie mit folgenden Anteilen:

    • Therapeutischer Ultraschall
    • Feuchte Wärmepackung
    • Dehnung des M. Piriformis
    • Entspannung der lumbalen Muskeln mit einer myofaszialen Technik
    • Gesäßmuskelkräftigung
    • Mobilisation des N. Ischiadikus

    Die Versuchsgruppe erhielt zusätzlich eine Manipulation des Iliosakralgelenks. Das Durchschnittsalter betrug um die 40 Jahre mit einer Abweichung von 10 Jahren (jünger oder älter).

    Innerhalb von sechs Wochen wurde an drei Tagen pro Woche behandelt und eine Bewertung durchgeführt.

    Die Ergebnisse wurden anhand von

    • Analyse der Schmerzen
    • Motorischer Test (Anheben des geraden Beines)
    • Testen der Schmerzdruckschwelle
    • Länge des M. Piriformis

    Ergebnisse

    In beiden Gruppen wurden deutliche Verbesserungen in den Ergebnissen erzielt. Die Versuchsgruppe hatte zudem signifikant weniger Druckschmerzen.

    Schlussfolgerung

    Die zusätzliche Manipulationstechnik des Iliosakralgelenks und die konventionelle physikalische Therapie allein waren gleichermaßen wirksam bei

    • der Verringerung der Schmerzintensität
    • der Normalisierung der Länge des Piriformis
    • Beinheben mit gestrecktem Bein

    Die Manipulation des Iliosakralgelenks zeigte eine bessere Reduzierung bei der Schmerzdruckschwelle.

  • Chronische unspezifische Kreuzschmerzen: Ist die Faszie ein Schmerzgenerator?

    Chronische unspezifische Kreuzschmerzen: Ist die Faszie ein Schmerzgenerator?

    Zwischen Brustkorb und Becken streckt sich eine Faszie mit den Namen der Orte, die sie bekleidet. Sie bekleidet den Brustbereich (thorakal) und den Lendenbereich (lumbal) hinten und nennt sich entsprechend thorakolumbale Faszie. Sie verbindet in ihrer Gesamtheit mit der Nackenfaszie (Fascia nuchae) den Kopf mit dem Becken.

    Thorakolumbale-Faszie

    Thorakolumbale-Faszie

    Die Fascia thoracolumbalis erstreckt sich:

    Tiefer Anteil (Lamina profunda oder anterior)

    • Beckenkamm (Crista iliaca)
    • Rippenfortsätze (Querfortsätzen; Processus costales bzw. transversi) der Lendenwirbel
    • Unterste Rippen

    Oberflächlicher Anteil (Lamina superficialis bzw. posterior)

    • Dornfortsätze (Processus spinosi) der Wirbel

    Beide Anteile verbinden sich seitlich und umhüllen so den Rückenstrecker (M. erector spinae).

    • tiefe Struktur
      • Quere Bauchmuskeln (Musculus transversus abdominis)
      • Diagonaler Bauchmuskel (Musculus obliquus internus abdominis)
    • oberflächliche Struktur
      • Musculus latissimus dorsi
      • Musculus serratus posterior inferior
      • Musculus gluteus maximus

    Wunderwelt Faszie

    Wobei der Begriff bekleiden wirklich veraltet ist. Es fällt aber schwer, einen Namen zu finden für all das, was eine Faszie in Wirklichkeit ist. Ich nenne sie strukturgebend (und -nehmend) oder auch Muttergewebe. Auf die Wunderwelt der Faszien möchte ich an anderer Stelle genauer eingehen. Ein wichtiger Fakt ist aber die unglaubliche nervale Anbindung. Sie ist wirklich reich an Nervenfasern und Nervenendigungen mit den entsprechenden Rezeptoren. Deshalb kam auch der Begriff Schmerzgenerator auf.

    Kreuzschmerzen und Faszie

    Chronische unspezifische Kreuzschmerzen verändern die Strukturen und die Biomechanik. Das ist umfassend nachgewiesen und dokumentiert. Welche Rolle spielt nun exakt die Faszie, und kann man mit einer entsprechenden Technik auf diese einwirken? Das war die Frage einer neuen Studie{Karine DevantéryORCID, Mélanie MorinORCID, Julien Grimard and Nathaly Gaudreault: Effects of a Myofascial Technique on the Stiffness and Thickness of the Thoracolumbar Fascia and Lumbar Erector Spinae Muscles in Adults with Chronic Low Back Pain: A Randomized before-and-after Experimental Study. Faculty of Medicine and Health Sciences, School of Rehabilitation, University of Sherbrooke, 3001 12th Avenue North, Sherbrooke, QC J1H 5N4, Canada Bioengineering 2023, 10(3), 332; Received: 11 January 2023 / Revised: 17 February 2023 / Accepted: 1 March 2023 / Published: 6 March 2023}: Können myofasziale Techniken auf die Faszie so einwirken, dass:

    • die Steifheit des Gewebes gelöst wird
    • die Schmerzen sich reduzieren

    Myofasziale Techniken sind Teil der manuellen Therapie. Zu ihr gehören zum Beispiel die tiefe Querfriktion nach Cyriax. Die aktuellen Forschungsergebnisse zu den Wirkungen sind relativ mager. Also hat man untersucht, wie eine solche Technik wirkt. In zwei Gruppen wurden in der Einen nur so getan als ob, und in der Zweiten wurde wirklich gearbeitet.

    Messungen

    Die Dicke des Rückenstreckers (M. Erector spinae) und die Dicke der Faszie wurden mit der Scherwellensonoelastographie gemessen. Zudem wurde noch die Schmerzintensität durch eine numerische Skala ermittelt.

    Was ist eine Scherwellensonoelastographie?

    Scherwellen sind seitliche Schallwellen. Schallwellen dringen vom Schallkopf in das Gewebe in eine Richtung. Seitliche Wellen werden durch die Gewebedämpfung erzeugt. Die Geschwindigkeit der Wellen entspricht der Elastizität des Gewebes.

    Ergebnis

    Es wurde sowohl vorher und nachher als auch am zweiten und siebten Tag gemessen und gefragt. Sofort wurde eine deutliche Schmerzlinderung im Vergleich zur vorgetäuschten Therapie angegeben. Über den gesamten Zeitraum verringerte sich die Dicke des Gewebes bei den myofaszialen Techniken.

    Fazit

    Die Behandlung der tiefen Strukturen ist ein maßgebendes Verfahren in der Therapie bei chronischen, unspezifischen Kreuzschmerzen. In meiner Praxis stelle ich zudem fest, dass die Faszie und die Rückenmarkshäute (Dura mater spinalis, Arachnoidea spinalis und Pia mater spinalis) bei Befindungsstörungen stark korrespondieren. Das zielgerichtete Mobilisieren und Lösen in beiden Bereichen zeigt sehr gute Wirkungen. Zudem ist immer ein Blick auf einzelne Wirbelsegmente sinnvoll.

    Die Ergebnisse zeigen aber auch die Wichtigkeit von entsprechenden Übungen an. Mobilisation für die Faszie sind also mehr als nützlich.

    Hinweis: Bitte nutze dafür auf keinen Fall einen „Faszienrolle“, sie reibt nur auf den Knochenkanten und kann gar nicht die Schichten der Faszie mobilisieren.

  • Steissbeinschmerzen: Dehnen oder Entspannen?

    Steissbeinschmerzen: Dehnen oder Entspannen?

    Bei Steißbeinschmerzen (Coccygodynie) gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten. Einen ganzen Artikel dazu findest Du hier. Zwei typische Therapien sind die Muskel-Energie-Technik oder die des statischen Dehnens des M. Piriformis und des M. Iliopsoas. Der M. Piriformis „sitzt“ im Gesäß und kann den N. Ischiadicus beeinträchtigen. Der M. Iliopsoas ist der Hauptmuskel für die Hüftbeugung. Er zieht mit seinem „langen“ Anteil von der Wirbelsäule und kann die Funktion dort massiv beschränken.

    Eine neue Studie verglich kürzlich beide Techniken{Wajeeha Zia, Muhammad Salman Bashir, Muhammad Umer Arshad, Amna Shahid: Effects of muscle energy technique and static stretching of piriformis and iliopsoas in females with coccydynia. Journal of Xi’an Shiyou University, Natural Science Edition VOLUME 19 ISSUE 01 JANUARY 2023 642-647}.

    Muskel-energie-technik

    Die Muskel-Energie-Technik (MET) ist eine Form der osteopathischen manipulativen Medizin. Sie wurde von Fred Mitchell, Sr, 1948 entwickelt. Er war osteopathischer Arzt.

    Die Mobilisierung von Gelenken kombiniert die isometrische Anspannung von Muskeln mit anschließender Bewegungserweiterung. Bei der Isometrie wird in Bewegungsrichtung des Muskels dreidimensional gegen einen minimal dosierten Widerstand für eine bestimmte Zeit ermüdet. Die Exaktheit und Dosierung sind entscheidend für den Erfolg.

    • Isolierung des Zielgelenkes/der Zielgelenke bei zweigelenkigen Muskeln und/oder einer spezifischen Muskelbarriere
    • Gezielter dreidimensionaler Widerstand mit klarem Ziel der Bewegung von der Einschränkung in die freie Bewegungsrichtung mit „angenehmen Widerstand“
    • Lösung der isometrischen Spannung
    • Passive Bewegung in Richtung der Barriere in der postisometrischen Phase
    • Wiederholung bis zum gewünschten/möglichen Bewegungsumfang und/oder Schmerzreduktion

    Das löst verspannte Muskeln und Faszien. Die Durchblutung und der Lymphfluss werden angeregt. Schmerzen werden gelindert. Die Funktion des Bewegungsapparates wird normalisiert.

    Es ist eine „aktive“ Technik und nimmt damit eine Sonderrolle in der Osteopathie ein. Diese Technik ist kontraindiziert bei Personen mit schlechtem Energiezustand, Frakturen, erheblichen Gelenkerkrankungen oder kürzlich erfolgten Operationen.

    Statisches Dehnen

    Beim statischen Dehnen die Dehnposition langsam eingenommen und über mehrere Sekunden (bis Minuten) beibehalten. Auch diese Methode kann sowohl aktiv als auch passiv erfolgen. Der Vorteil des statischen Dehnens ist die meistens gute Kontrolle der Stellung.

    Studie

    Zweiundfünfzig Teilnehmerinnen wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt

    • 26 Muskel-Energie-Technik
    • 26 Statisches Stretching

    Beide Gruppen erhielten 10 Sitzungen in zwei Wochen.

    Ergebniss

    Die Muskel-Energie-Technik ist im Vergleich zur statischen Dehnungsmethode effektiver.

    • Reduzierung von Schmerzen auf der numerischen Skala von 0 bis 10: Dehnung 6.84 zu Muskel-Energie-Technik 4.48 und auch bei der zweiten Skala (Modified Dallas Pain Questionnaire) ähnlich
    • Steigerung Sitzdauer Dehnung 49.68 zu Muskel-Energie-Technik 87.04

    Hinweis

    Physiotherapeutinnen wenden in der Praxis grundsätzlich keine statische Dehnung als Einzelanwendung für eine solche Fragestellung an. Eine statische Dehnung wird von Fachfrauen und -männern immer eingeleitet und durch weitere Techniken (zum Beispiel tiefe Querfriktion) begleitet.

  • Schmerzen am Steissbein: Coccygodynie

    Schmerzen am Steissbein: Coccygodynie

    Chronische Schmerzen des Steißbeins können viele Ursachen haben. Dabei sind Einige schwieriger in der Therapie als Andere. Entsprechend der Ursachen gibt es eine Reihe von Therapien.

    Das Steißbein (Os Coccygeus) ist ein Knochen unterhalb des Kreuzbeines (Os Sacrum). Das Kreuzbein und das Steißbein sind verknöcherte Wirbel. Sie verlängern also die Wirbelsäule nach unten. Früher hatten die einzelnen Steißbeinwirbel auch noch die Aufgabe den Schwanz zu bilden. Entsprechend gibt es auch noch Muskeln und Bänder zum Bewegen des Steißbeines. Diese Muskeln haben heute keine Funktion, spielen aber bei der energetischen Arbeit im Wurzelenergiezentrum (Muladhara-Chakra) eine wichtige Rolle.

    Lateinisch heißen die chronischen Schmerzen am Steißbein Coccygodynie. Sie treten im Bereich der nervalen Versorgung des sacralen Nervengeflechtes (Plexus pundendus) auf.

    Schmerzen am Steissbein: Coccygodynie 18
    Hauptbahnen des Nervus Pudendus bei der Frau (vereinfachte schematische Darstellung)

    Der Unterabschnitt des Lenden-Kreuz-Geflechts (Sacral 1–4)wird auch als Plexus pudendus bezeichnet. Der Nerv verläuft in der Beckenhöhle nach vorne unten in Richtung Beckenboden und durch das große Beckenloch (Foramen infrapiriforme) in den Schambereich(Canalis pudendalis/Alcock-Kanal). Er steuert motorisch und vermittelt sensible Sinneseindrücke.

    Die meisten Betroffenen klagen über Schmerzen beim Sitzen, beim Stuhlgang und/oder beim Geschlechtsverkehr. Es sind meistens Frauen betroffen (80%).

    Ursachen

    Typische

    Die klassischen, typischen Ursachen für Schmerzen am Steißbein sind:

    • Schlecht verheilte Verletzungen
    • Frakturen
    • Angeborene Fehlbildungen
    • Basale Bandscheibenvorfälle
    • Tumore
    • Mechanische Überlastung (nach Geburten oder Unfällen)
    • Chronische Verstopfung
    • Erkrankungen der Ansatzsehnen der Muskeln des Beckenbodens oder der Beckenorgane

    Bei Schmerzen mehr aus dem Gesäß sollte man an Überbelastungen durch Sportarten mit Trittbewegungen wie Fußball denken. Der Muskel Obturator internus kann bei solchen Belastungen anschwellen.

    Adipositas ist ein Risikofaktor und so sind mehr übergewichtige Menschen betroffen.

    Ohne erkennbaren Grund

    Häufig ist aber keine nachweisbare Ursache vorhanden. Dann werden die Beschwerden als idiopathisch bezeichnet. Erfahrungsgemäß wurden alte Verletzungen, Überbelastungen und sogar auch Frakturen häufig nicht bewusst wahrgenommen. Und noch ein weiterer, tiefer liegender Faktor spielt hier eine Rolle. Es sind die Erkenntnisse aus der Erforschung des chronischen Beckenschmerzsyndroms (CBSS):

    Beckenschmerzsyndrom

    In den letzten Jahren wurden auch vermehrt tiefer liegende Zusammenhänge hergestellt{Mag. Heidi Halbedl: Mindfulness-based Bodyscan-Training in der Beckenboden-Physiotherapie bei provozierter Vulvodynie. Eine Machbarkeitsstudie 2022}.

    • Beckenboden
    • Muskeln vor allem der Beckeninnenseite
      • M. obturator internus
      • M. Piriformis
      • M. Iliopsoas
    • Beckenorgane
    • Beckenknochen
    • Geschlechtsorgane

    Dabei spielt das Verstehen von Chronifizierungen eine wichtige Rolle. Diese sind gekennzeichnet durch eine gesteigerte Sensibilisierung. Ein schmerzfreier Stimulus wird dann als schmerzhaft wahrgenommen und es treten noch weitere Folgen auf:

    • Ausweitung des Schmerzgebietes
    • Längere Schmerzwahrnehmung
    • Auftreten von spontanen Schmerzen

    Zur besseren Verständlichkeit ist es daher wichtig, die Schmerzverarbeitung besser zu verstehen. Ein Schmerzempfinden ist nicht nur eine senso­rische Wahrnehmung. Ein wichtiger Faktor sind die emotionalen Verarbeitungszentren. Schon negative Gedanken beeinflussen den Schmerz. Es genügt schon ein ängstlicher Gedanke, um Schmerzen hervorzurufen. Verhaltensmuster mit emotionalen Schwierigkeiten können sehr tief eingreifen.

    Diagnose

    Die klinische Diagnose enthält eine Reihe von Untersuchungen:

    • Fragebefund
    • Palpation
    • Manuelle Untersuchung
      • rectal
      • gynäkologisch
    • Muskeltestverfahren
    • Bewegungstest Becken/LWS/Bein
    • Röntgen / Computertomographie / Kernspintomographie

    Therapie

    • Örtliche Infiltrationen
      • Kortikoide
      • Lokalanästhetika
    • Schmerzmittel in Tablettenform
    • Versorgung mit Sitzring
    • Physiotherapie
    • Psychotherapie
    • Letztes Mittel: Operative Entfernung des Steißbeins.

    Ich persönlich arbeite vorwiegend mit der craniosacralen Therapie und insbesondere dem Einsatz des somatoemotionalen Releases. Dies immer auf Basis einer exakten Befunderhebung.

    Es zeigt sich, dass sich der Einsatz komplementärmedizinischer Verfahren bei vielen Klientinnen zu guten Ergebnissen führt. Es sind Disziplinen und Methoden, welche auf alternativen Modellen der Entstehung von Krankheiten und deren Behandlung. Sie stehen in Ergänzung zur Schulmedizin.

  • M. Piriformis: Kleiner Muskel – große Probleme

    M. Piriformis: Kleiner Muskel – große Probleme

    Der kleine unscheinbare M. Piriformis kann große Probleme bereiten. Er kann einen Bandscheibenvorfall vortäuschen, indem er auf den N. Ischiadicus drückt. Er verursacht Beschwerden im Kreuzbein-Darmbein-Gelenk, indem er das Muskelgleichgewicht stört. Er kann zu einem Beckenschiefstand, Störungen des Gleichgewichts und Gangstörungen führen, weil sein Tonus zu hoch ist. Und das ist noch nicht Alles.

    Fast jeder fünfte mit Kreuzschmerzen hat ursächlich ein Piriformis – Syndrom{„Prevalence of Piriformis Muscle Syndrome Among Individuals with Low Back Pain“(Farooq Islam, Hamza Mansha, Khushboo Gulzar, Asim Raza, Awais Raque and Saqlain Haider)}.

    Durch Klicken auf das Video wird eine Datenverbindung mit YouTube aufgebaut

    Anatomie

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 19
    M. Piriformis Schema

    Du siehst den rot markierten Verlauf auf dem Bild. Er geht von innen im Becken nach außen an den hinteren Anteil vom Rollhügel. Der große und kleine Rollhügel dienen Muskelansätzen und befinden sich am Schenkelhals des Oberschenkels. Wie Du siehst verläuft der Schenkel mit dem Hals nach außen, und dann erst geht der Knochen mit dem Schaft nach unten in Richtung Knie.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 20

    Die vordere äußere Fläche des Kreuzbeins dient dem Ursprung. Von dort verjüngt er sich nach außen und geht zum großen Rollhügel hinten.

    Ursprung, Ansatz und nervale Versorgung in Fachsprache

    Ursprung: Os sacrum facies pelvina

    Ansatz: Os ischii Incisura ischiadica major

    Innervation: Direkte Äste aus dem Plexus sacralis (L5-S1) und/oder N. Ischiadicus (Skiatus)

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 21
    Nervale Versorgung des M. Piriformis

    Verlauf

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 22
    Lig. Sacrospinale
    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 23
    Lig. Sacrotuberale

    Dein Becken ist ein Knochenring mit den straffen Kreuzbein-Darmbein-Gelenken hinten und einer Knorpelverbindung vorn. Zusammen gehalten wird das durch viele Bänder. An bestimmten Stellen können Muskeln, Gefäße und Nerven hindurch gehen. Vorn unter dem Leistenband verlaufen die großen Beingefäße, die Hüftbeuger und der N. Femoralis. Das Sitzbein, Schambein und Hüftbein sind verknöchert und bilden zusammen das Darmbein. In der Mitte unter der Hüftpfanne ist ein Loch für den M. Obturator. Das große Loch nach hinten außen wird unterteilt durch große Bänder. Sie halten das Kreuzbein und sind das Widerlager für die Vorschwingung der Lendenwirbelsäule. Die Bänder sind sehr kräftig und dienen auch als Teilursprung für den Gefäßmuskel.

    Der N. Ischiadicus und der M. Piriformis ziehen durch das Obere der Löcher nach hinten außen. Von der Vorderseite des Kreuzbeins außen geht der Muskel von der Beckeninnenseite nach außen.

    Das Ischiasloch in Fachsprache

    Das Lig. Sacrotuberale befestigt das untere Kreuzbein in Richtung Sitzbein. Oberhalb entsteht das Foramen Skiatum. Durch ein weiteres Band, das Lig. Sacrospinale, wird es in ein großes Foramen Skiatum magnus und ein Kleineres Foramen Skiatum minus unterteilt. Im Oberen und Größeren verlaufen der M. Piriformis und der N. Ischiadicus.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 24
    M. Piriformis (rot) mit Lig. Sacrospinale

    Verlauf des N. Ischiadicus

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 25
    Nervus Ischiadicus / Ischisasnerv unter dem Piriformis

    Der M. Piriformis nimmt den größten Teil ein. Es bleiben zwei kleine Resträume oben und unten. Dort geht der N. Ischiadicus von der Beckeninnenseite nach außen. Der Ischiasnerv selbst teilt sich unterschiedlich in seine verschiedenen Anteile auf{„An Unusual Bifid Piriformis Muscle with High Division of Sciatic Nerve“(Rashmi C. Goshi)Current Practice in Medical Science Vol. 7, 25 July 2022 , Page 152-155}{„Anatomical Variations of the Sciatic Nerve Exit from the Pelvis and Its Relationship with the Piriformis Muscle: A Cadaveric Study“(Juan Pablo Reynoso, Manuel De Jesus Encarnacion , Renat Nurmukhametov, Dmitry Melchenko, Ibrahim E. Efe, Evgeniy Goncharov, Angel Alfonso Taveras, Issael Jesus Ramirez Pena and Nicola Montemurro)Neurology international 31.10.2022}.

    Ansatz

    Der M. Piriformis von hinten
    Der M. Piriformis von hinten

    Der flache Muskel verjüngt sich dabei auf einen Ansatzpunkt auf dem großen Rollhügel. Vor seinem Ansatz ist noch ein Schleimbeutel untergelagert. Es gibt noch weitere Schleimbeutel am Rollhügel (außen).

    Fachsprache am Ansatz

    Die Verschieblichkeit wird durch die Bursa musculi piriformis erreicht. Der Muskel setzt an der Spitze des Trochanter Major Os femur an. Dort überdecken ihn der M. gluteus medius und minimus. Nach unten schließen sich die M. Gemelli, der M. Obturatorius/Obturator und der M. Quadratus. Der M. gluteus maximus zieht hinten am M. Piriformis vorbei.

    Am Ansatz trifft er auf seine Familiengenossen. Denn alle Muskeln sind entwicklungsgeschichtlich eine Einheit und ziehen in der Entwicklung von außen in Richtung Becken innen.

    Funktion

    Die Muskelfamilie dreht das Bein nach außen. Besonders bei gebeugter Hüfte spreizt er ab. In seiner zweigelenkigen Funktion* sichert er das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk und dreht die Hüfte nach außen, was wiederum für den Gang wichtig ist. Er fixiert mit allen umliegenden Muskeln zudem den Hüftkopf in der Pfanne. Diese Funktion ist nicht so stark, wie die Rotatorenmanschette bei der Schulter. Dafür ist das Hüftgelenk aber auch viel besser knöchern geführt.

    *zweigelenkige Muskeln fixieren am ersten proximalen Gelenk und bewegen am zweiten distalen Gelenk.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 26
    N. Ischiadicus im Verlauf nach peripher und M. Piriformis
    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 27

    Ursachen

    Sitzen

    Im Sitzen befindet sich der Muskel in einer anderen Position. Er ist leicht gedehnt und der Verlauf geht statt vertikal nach unten außen. Für kurze Zeiträume scheint das kein Problem, aber für eine längere Zeit verträgt er diese Position nicht so gut. Zudem ist die Beckenaufrichtung bei Vielen im Sitzen nicht gegeben, und auch das ermüdet den Muskel und erhöht zudem häufig den Druck aus der Sitzschale auf das Gesäß.

    Hyperlordose (Hohlkreuz) / Hüftbeugekontraktur

    Eine Veränderung der Lordose oder bei einem vorgebeugtem Oberkörper durch eine Hüftbeugekontraktur ändert sich nachhaltig der Verlauf im Körper. Dies honoriert der M. Piriformis sehr häufig mit einer Ermüdung, und die Schleimbeutel (siehe dort) werden gereizt.

    Inaktives Stehen

    Das passive Stehen in den Strukturen ohne aktiven Halt in der Muskulatur führt zu einer Überlast am Ansatz des Muskels. Regulär stehen wir aktiv in den Zuggurtungen der Muskulatur. Die passiven Strukturen sind nur eine weitere Hilfe und gar nicht dafür vorgesehen, so lange eine Stehposition zu halten.

    Einseitige Bewegungen

    Einseitige Bewegungen sind sehr problematisch. Hier sind es vor allem Tätigkeiten in Vorneige und mit einer ziehenden Bewegung wie zum Beispiel einen Rasenmäheranlasser ziehen. Aber auch Gartengeräte in leichter Vorneige über einen längeren Zeitraum sind problematisch (Sense).

    Posttraumatisch (Sturz, Schlag, Autounfall)

    Traumen können viele Strukturen betreffen. Manche reagieren schneller als Andere. Der M. Pirirformis ist schnell betroffen, da er als Sicherungsmuskel für das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk fungiert.

    Muskelhypertrophie durch Überlasten oder Entzündung

    Länger andauernde Belastung des M. Piriformis quittiert er mit einer Entzündung (gern erst der Schleimbeutel) und dann über eine Zunahme des Querschnittes. Dadurch wird aber der Durchgang im Becken enger und das führt zu Einschränkung für den N. ischiadicus.

    Ausgleich bei Becken-/Wirbelsäulenblockaden

    Bei Blockaden im Becken (Kreuzbein-Darmbein-Gelenk, Symphyse) oder in der Wirbelsäule kommt es zur einer reaktiven Muskelverspannung und dadurch zur „Schonung“. Das ist aber eine Überlast für den Muskel.

    Ischiaskompression

    Der Anteil von Piriformis-Muskelverspannungen bei Ischiaspatienten sehr hoch{„Prevalence of Piriformis Tightness in Sciatic Patients“( Khusboo Gulzar, Farooq Islam, Asim Raza Thakur, Maha Shaheen, Muhammad Shaharyar Asghar and Sheikh Shahzeb)PAKISTAN BIOMEDICAL JOURNAL Volume 5, Issue 4 April 2022} .

    Beckenprobleme durch Störungen der Beckennerven

    Der Piriformis-Muskel kann Nervenstrukturen in der Beckenregion komprimieren und idiotypische Beckenschmerzen, viszerale Beckenschmerzen, Pudendusneuralgie und Funktionsstörungen der Beckenorgane verursachen. Es kommt zu Störungen der vorderen Ästen der sakralen Spinalnerven und zum Sakralplexus.

    Auch die kleinen Beckennerven (sakrale Spinalnerven und der Sacralplexus) können komprimiert werden beim Piriformis Syndrom.
    Auch die kleinen Beckennerven (sakrale Spinalnerven und der Sacralplexus) können komprimiert werden.

    Das mediale Muskelursprungsmuster und seine vollständige Abdeckung des Foramen sacrales anterior durch den M. piriformis die häufigste anatomische Variation (43 % bei Männern, 70 % bei Frauen){„Novel anatomical findings with implications on the etiology of the piriformis syndrome“(Alexey Larionov, Peter Yotovski & Luis Filgueira)Surgical and Radiologic Anatomy 2022}. Dieses Muster kann zu einer Kompression der vorderen Äste der sakralen Spinalnerven führen, wenn sie den Muskel kreuzen.

    Anatomische Variation

    Der Nerv weist eine hohe Variabilität von Verteilungsmustern auf{„The sciatic nerve and and its relation to the piriformis muscle syndrome regarding daily clinical practice. A review“(Antonia Beas, Catalina Salas, Juan José Valenzuela, Mathias Orellana, Qareen Syed, Andrés Santana) the Faseb Journal 13 May 2022}. Einige Verteilungsmuster sind problematisch und führen zu einer Irritation.

    Schleimbeutelentzündung

    Wenn ein Bursa (Schleimbeutel) durch Überlast entzündet ist, dann reagiert der Muskel ebenfalls. Hiervon betroffen sind häufig ältere Frauen, bei denen der Winkel von Schenkelhals zum Schafft (CCD-Winkel) unter 126° sinkt. Das erschwert die Arbeit der Muskeln und erhöht den Druck.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 28
    CCD-Winkel
    Kreuzschmerzen beim Sport

    Der Beginn der meisten Fälle von unerklärlichen Kreuzschmerzen bei Sportlern mit Piriformis-Syndrom kann somit dem Iliosakralgelenk zugeschrieben werden{„Measurement of piriformis muscle stiffness in athletes with lower back pain and piriformis syndrome: A shear-wave elastography study with consideration of the onset of piriformis syndrome“(HISASHI HASHIMOTO, MOTOI SHIBAHARA, YUKI MIZUTA, KENTARO MIZUSHIMA)Journal of Physical Education and Sport ® (JPES), Vol. 22 (issue 7), Art 219, pp. 1748 – 1760, July 2022}.

    Nach Dekompresssionsoperation bei Bandscheibenprolaps

    Die Häufigkeit des Piriformis-Syndroms bei Patienten mit Lumbaloperationen nach Dekompression beträgt 36,5 %{„Frequency of Piriformis Syndrome in Patients with Post Decompression Lumbar Surgeries“(Muhammad Idrees Khan, Zohaib Khalid, Muhammad Adnan,Faiza Rashid,Qazi Farhan Ullah, Sudhair Abbas Bangash, Gulalai, Shakeel Ahmad, Faisal Ghafoor, Muhammad Jawad Ullah)Annals of R.S.C.B., ISSN:1583-6258, Vol. 26, Issue 1, 2022, Pages. 2651 – 2656 15 December 2021}.

    Seltene Ursachen für ein Piriformis Syndrom

    Sehr selten ist das Piriformis-Syndrom aufgrund einer Pyomyositis. Das ist eine bakterielle Infektion. Selbst in der Literatur wird es nur in 23 Fällen beschrieben{„Pyomyositis of the Piriformis Muscle—A Case of Piriformis Syndrome“(S Shanmuga Jayanthan, S. Senthil Rajkumar, V. Senthil Kumar, M. Shalini) Indian J Radiol Imaging 2021}.

    Es gibt noch andere seltene Ursachen. Zum Beispiel mikroenergetisches Trauma bei einer Patientin mit einer Krankheit, die einen Blutgerinnungshemmer (Thrombozytenaggregationshemmers) erforderte{„Piriformis syndrome as a result of intramuscular haematoma mimicking cauda equina effectively treated with piriformis tendon release“(Thomas Robert William Ward, Kanai Garala, Ian Dos Remedios and Justin Lim)BMJ Case repords Vol 15 Issue 3 12.02.2022}. Hier kam es zum Bluterguss im Muskel. Ein Bluterguss ohne Gerinnungshemmer ist aber auch möglich{„A Sciatic Neuralgia Case of an Entrapment Neuropathy Mimicking Piriformis Syndrome Due to Soft Tissue Hemangioma“(Şeref Barbaros Arif , Elif Günaydin)Curr Med Imaging 2022 Aug 17}.

    Auch super selten: Eine Fettgeschwulst macht ein Piriformis Syndrom{„Piriformis syndrome caused by rare intramuscular lipoma: A case report“(Aroa Gnesutta; Maria Giovanna Atria; Marco Calvi; Angelica Celentano; Eugenio Annibale Genovese)Open Journal of Clinical and Mediacal Images Apr 27, 2022}.

    Wie auch in der Praxis schon von mir festgestellt ist die Abnahme des CCD-Winkels eine wichtige anatomische Veränderung die eine Ursache darstellt{„Radiological Comparison of Femoral Neck–Shaft Angle in Piriformis Syndrome: A Case–Control Study“(Gamze G. Güleç, İlknur Aktaş & Feyza Ü. Özkan)Indian Journal of Orthopaedics 22.09.2022}. Es ist der Winkel zwischen Oberschenkelkopf/hals (Capu/Collum) und Oberschenkelschaft (Diaphyse). Er verändert sich im Laufe des Lebens insb. bei Frauen. Dabei nimmt er ab und es kommt zu typischen Folgeerscheinungen. Häufig sind es Schleimbeutelentzündungen am großen Rollhügel. Den kannst Du seitlich am Oberschenkel oben direkt unter der Haut tasten. Es können aber auch eine Insuffizienz der Abspreizmuskulatur auftreten. Das führt zu nachhaltigen und negativen Gangveränderungen. Und die Veränderung des CCD-Winkels kann auch ein Piriformissyndrom hervorrufen. Wenn Du mehr wissen möchtest, hier mein Artikel: CCD-Winkel: Damit die Muskeln effektiver das Bein bewegen.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 29
    CCD-Winkel

    Eine Verzögerung der Diagnose kann zu chronischer somatischer Dysfunktion und Muskelschwäche sowie zu anderen komplexeren Funktionsstörungen führen{„The Effect of Physiotherapy Intervention by Using Ultrasound and Piriformis Stretching in Management to Reduce Pain in Piriformis Syndrome“(Ismaningsih,Yose Rizal Vocational Program of Physiotherapy Faculty of Pharmacy and Health Sciences, Abdurrab University Pekanbaru, Indonesia)International Journal of Innovative Science and Research Technology Volume 7, Issue 1, January – 2022}.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 30

    Folgen

    Ischiasbeschwerden

    Kompression des Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) durch Hypertrophie/Hypertonus des Muskels*

    *Piriformis-Enge ist eine der am häufigsten falsch diagnostizierten Ursachen für Rückenschmerzen oder Funktionsstörungen des Iliosakralgelenks{„Effect of Muscle Energy Technique on Piriformis Tightness in Chronic Low Back Pain with Radiation“(Deshmukh, Mitushi Kishor; Phansopkar, Pratik Arun; Kumar, Kiran) Portal Regional da BVS 2020}. Und dies obwohl die Piriformis-Kompression auf den Ischiasnerv 1928 von Yeoman{„The relation of arthritis of the sacro-iliac joint to sciatica, with an analysis of 100 cases“(Yeoman W.) Lancet 1928;2:1119–1122} vor der Wurzelkompression durch Bandscheibenvorfall beschrieben wurde{„Rupture of the Intervertebral Disc with Involvement of the Spinal Canal“(WILLIAM JASON MIXTER, M.D.†, and JOSEPH S. BARR, M.D.†)N Engl J Med 1934; 211:210-215}.

    Störungen im Becken

    Es kann zu verschiedenen Einschränkungen im Becken kommmen. Dies hängt von der jeweiligen Nerv ab, welcher betroffen ist. Es kann die Steuerung der Muskeln am Becken betroffen sein (Musculus gluteus medius, Musculus gluteus minimus und Musculus tensor fasciae latae, Musculus gluteus maximus). Es kann aber auch zu sensiblen Einschränkungen kommen in der Gesäßregion oder der Hinterseite des Oberschenkel. Am Beckenboden kann es zu sensiblen oder motorischen Einschränkungen kommen. Dies nennt man Pudendusneuralgie nach dem betroffenen Nerv. Es können sowohl die Geschlechtsorgane, Damm als auch der After betroffen sein.

    Wesentlich komplexer sind die viszeralen Beckenschmerzen. Sie betreffen die Beckenorgane. Die Mechanismen dieser Schmerzen entziehen sich auch heute weitgehend der Fachkenntniss{„Neurobiologie viszeraler Schmerzen“(Jänig W)2014}. In der Folge kann es zu Funktionsstörungen der Beckenorgane kommen.

    ISG Probleme

    Es kann zu einer akuten oder chronischen Reizung des Kreuzbein-Darmbein-Gelenkes kommen. Dies liegt sowohl an Muskelungleichgewicht, Veränderungen in den Alltags- und Gebrauchsbewegungen als auch an Ausweichbewegungen wegen Schmerzen.

    Störungen der Alltags- und Gebrauchsbewegungen

    Durch die Tonusveränderungen und die Schmerzen verändern sich die Bewegungsabläufe. Beim Gehen oder Treppe steigen kann sich ein Hinkmechanismus entwickeln.

    Gleichgewicht

    Es kommt zu einer Störung der groben und feinen Einstellung für das Gleichgewicht in der Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule. Die hat nicht nur massive Auswirkung auf das Gleichgewicht sondern auch auf das Befinden{„Does piriformis muscle syndrome impair postural balance?“(Mariem Jardak, Fatma Chaari, Fatma Bouchaala, Thouraya Fendri, Mohammed Achraf Harrabi, et al.)Somatosensory & Motor Research 14.09.2021}.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 31

    Diagnose

    Die exakte manualtherapeutische Untersuchung ist das beste Testverfahren{„The effect of physiotherapy in the treatment of piriformis syndrome: A narrative review“(Maria Dakou, Paris Iakovidis, Dimitrios Lytras, Ioannis Kottaras, Anastasios Kottaras and Georgios Chasapis)National Journal of Clinical Orthopaedics 2021; 5(2): 24-26}. Die genaue Erfassung der Vorgeschichte (Anamnese) sowie der Fragebefund* zur akuellen Situation werden durch eine ausführliche Haltungs- und Bewegungsanalyse mit Beurteilung von Gang und Treppe ergänzt. Danach erfolgen Strukturlängentests zum Beispiel in maximaler Adduktion und Innenrotation im Stand oder Knie zur gegenüberliegender Schulter und für den Ischiasnerv dann auch der Lasègue-Test (gestreckten Bein in der Hüfte beugen bei Streckung im anderen Bein). Muskeltests (1. tonisch konzentrisch 2. tonisch exzentrisch oder 3. isometrisch (also ohne Arbeitsweg gegen Widerstand)) helfen den Muskelstatus zu erkennen.

    *Schmerzqualität und -quantität sowie Lokalisation sind besonders wichtig

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 32

    Medikamente

    Muskelrelaxantien

    Bestimmte Substanzen bewirken eine vorübergehende (reversible) Entspannung der Skelettmuskulatur. Bei diesen Muskelrelaxanzien unterscheidet man zwischen den direkt an der motorischen Endplatte des Muskels angreifenden peripheren Muskelrelaxanzien und den zentralen Muskelrelaxanzien, die im Zentralnervensystem den Muskeltonus herabsetzen. Entsprechend ihrem Wirkmechanismus. Typische andere Namen sind: Muskelrelaxantia, Myotonolytika

    Nichtsteroidale Antirheumatika

    Das nichtsteroidale Antirheumatikum, kurz auch NSAR, auch nichtsteroidales Antiphlogistikum oder non-steroidal anti-inflammatory drug wirkt entzündungshemmend (antiphlogistisch).

    Injektionen von Kortikosteroiden

    Corticosteroide oder Kortikosteroide (von lt. cortex Rinde und gr. stereos, gr. στερεος (stereos) fest werden in der Nebenniererinde gebildet. Kurz werden sie auch Corticoide, Kortikoide oder Cortine genannt. Das Steroidhormon sowie sein chemisch vergleichbarer synthetischer Stoffe wirken entzündungshemmend. Alle Corticoide entstehen dabei aus dem Ausgangsstoff Cholesterin.

    Die Patientenreaktionen auf CT (Computertomographie) geführte Steroid- und Lokalanästhesie mit Piriformis Injektionen waren mit 56 % positiv, bei 16 % allerdings nur kurz{„A review of CT-guided steroid injections for the treatment of piriformis syndrome“(Amy Verrinder, Rahul Dharmadhikari)Clincal radiology VOLUME 77, SUPPLEMENT 2, E24, SEPTEMBER 01, 2022}.

    M. Piriformis: Kleiner Muskel - große Probleme 33

    Therapie

    Sowohl die Bursen als auch das Piriformis Syndrom sind super zu behandeln. In der Therapie schaue ich mir alle Strukturen im Segment und ggf. Weitere im Körper an. So erhalte ich einen strukturellen Überblick und kann dies analysieren. Weitere Befundtechniken ergänzen dies und führen zu einer individuellen Therapiestrategie.

    Ich kombiniere dies mit Griffen der Craniosacralen Therapie und der Manuellen Therapie. Ich nutze verschiedene Dehnungstechniken und erhöhe den Bewegungsumfang im Hüftgelenk und gesamten Beckenbereich. Neue Forschungen bestätigen den Ansatz {„The Efficacy of Physiotherapy Interventions for Recovery of Patients Suffering from Piriformis Syndrome: A Literature Review“(A. A. Khakneshin , N. Dabaghi pour , M. Javaherian , B. Attarbashi Moghadam) JRUMS 2021, 19(12): 1304-1318}{„The Effect of Physiotherapy Intervention by Using Ultrasound and Piriformis Stretching in Management to Reduce Pain in Piriformis Syndrome“(Ismaningsih,Yose Rizal Vocational Program of Physiotherapy Faculty of Pharmacy and Health Sciences, Abdurrab University Pekanbaru, Indonesia)International Journal of Innovative Science and Research Technology Volume 7, Issue 1, January – 2022}.

    Bei überwiegender Verspannung hilft zudem gut Wärme, bei entzündlichen Varianten Eistherapie. Ultraschall kann die Durchblutung verbessern.

    Ist der akute Schmerz reduziert, dann rücken die funktionellen Zusammenhänge in den Fokus. Die Einzelfunktion, wie zum Beispiel die Muskelkraft bestimmter Muskeln, werden erst geübt und trainiert. Anschließend werden sie dann in die Alltags- und Gebrauchsbewegungen eingebaut. Das deckt sich auch mit Erfahrungen von einer renommierten Fachkollegin und ihrem Team:

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mobilisierung des Ischiasnervs sowie die Kräftigung der an den Piriformis-Muskel angrenzenden Muskulatur, wie der Adduktorenmuskulatur, signifikant zur Verbesserung der Symptome der Patienten beitragen, wobei beste Ergebnisse in Kombination mit entsprechenden Medikation stehen.

    National Journal of Clinical Orthopaedics 2021; 5(2): 24-26 (Maria Dakou et al.)

    Weitere Untersuchungen decken meinen Ansatz: Muskelenergietechnik mit postisometrischer Relaxationstechnik (PIR) wirkt sehr gut{„Efficacy of gluteal activation exercises along with met on pain, rom, strength and motor control in patients with piriformis syndrome“(Arora Bhumika, Rishi Priyanka, Sen Siddharth)Indian Journal of Health Sciences and Care 2021, Volume : 8}. Wichtig ist bei einer Dehnung (Strukturlängenübungen) ausreichend Zeit einzuplanen{„A comparative study based on two different stretching protocol of 30 second vs 10 second for piriformis tightness“(Ruchika Zade, Sakshi P. Arora, Pratik Phansopkar, Mitushi Deshmukh)Journal of medical pahrmaceutical and allied science 02.07.2022}, besser 30 oder mehr Sekunden pro Seite in der Endstellung.

    Zielführend ist auch eine Muskelkräftigung, entsprechend vorheriger Testung{„Comparison of Gluteal Muscle Strengthening versus Conventional Isometrics in Pain Management of Piriformis Syndrome“(HAROON RAZA, HAFIZ RANA MUHAMMAD ARSLAN, AMBREEN IQBAL, MUHAMMAD FAIZAN HAMID, ASNA WASEEM, SANA MANZOOR) PJMHS Vol.15, No.11, NOV 2021}.Aber auch die einfache passive Dehnung von Piriformis zeigt Erfolg{„Effect of Muscle Energy Technique on Piriformis Tightness in Chronic Low Back Pain with Radiation“(Deshmukh, Mitushi Kishor; Phansopkar, Pratik Arun; Kumar, Kiran) Portal Regional da BVS 2020}{„The Combined Effectiveness of Piriformis Stretch and Muscle Activation Exercises in Patients with Sacroiliac Joint Pain“(Bhupendra Karki, Abhijit Kalita and Abhijit Dutta)Int J Life Sci Pharma Res., Volume11., No 6 (NOVEMBER) 2021, pp L77-87}.

    Etwas schwerer ist die Eigenbehandlung. Aber auch das ist machbar. Analgetika und ggf. Injektionstherapien können die Therapie ergänzen. In seltenen Fällen soll man auch operieren können. Das habe ich noch nie in der Praxis gesehen, und ich habe fünf Jahre auf chirurgischen Stationen Studierende begleitet. Die Eigentherapie ist wirksam{„Effects of active stretching exercise of hip joint and lumbar stabilization exercise on the muscle thickness of piriformis and low back pain“(Chi Hwan Kim, Ph.D., P.T. . Geun Tae Park, M.Sc., P.T. . Jin Tae Han, Ph.D., P.T.)Journal of Korean Physical Therapy Science 2021 06. Vol. 28, No.1, pp. 11-22} aber nicht so effektiv wie die passive Mobilisation{„COMPARISON BETWEEN EFFECTS OF PASSIVE VERSUS SELF-MOBILIZATION OF SCIATIC NERVE IN PIRIFORMIS SYNDROME FOR RELIEVING PAIN AND IMPROVING HIP OUTCOMES“(Abdul Salam, Aqsa Khalid, Iqra Waseem, Tahir Mahmood, Wajeeha Mahmood) The Rehabilitation Journal Vol. 6 No. 01 (2022)}

    Durch Klicken auf das Video wird eine Datenverbindung mit YouTube aufgebaut

  • Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht

    Manchmal ist es nur ein Jucken oder Kribbeln im Rippenverlauf der auf eine Interkostalneuralgie hindeutet. Aber die Beschwerden können auch sehr viel stärker sein. Häufig sind es deutliche Schmerzen. Diese können sehr unterschiedlich sein: ziehend, stechend, brennend oder schneidend. Manchmal sind sie kontinuierlich, aber sie können auch anfallsartig auftreten oder atemhängig, beim Husten oder Pressen.

    Da alle inneren Organe auf der Hautoberfläche Symptome verursachen können, kommen als Ursache von Schmerzen im Rippenbereich auch Magenschmerzen kommen und auch Atembehinderungen.

    Texthinweis

    Meine Artikel für Dich sind keine schnellen und oberflächlichen Nachrichten. Statt eines kurzen Tweets oder eines kurzen Statusupdate erhälst Du bei mir einen ganzen Artikel mit viel Detailinformationen. Zudem gibt es bei gesundheitlichen Problemen selten eine einfache und schnelle Lösung. Der menschliche Organismus ist hochkomplex und da ist schon die Reduktion in einzelne Artikel schwierig.
    Wie auch in meinen Artikeln so ist auch meine Therapie. Ich nehme mir Zeit für die Befundung, die Therapie, die Übungen, die Alltags- und Gebrauchsbewegungen und selbstverständlich auch die methodische und didaktische Vermittlung. Meine PatientInnen schätzen genau das: Sehr genau und ganz exakt, dabei sanft und immer herzlich, ganz nach meinem Motto in der Therapie: „Fühle Dein Wesen in Bewegung und erlebe Dein Sein in der Therapie“.

    Die Beschwerden treten im Verlauf einer Rippe, meistens einseitig, auf. Die Ursache ist aber selbst keine Rippenstörung. Betroffen ist der Nerv zwischen den Rippen. Dieser verläuft direkt unterhalb der Rippe am Knochen entlang. Deshalb heißt die Störung auch Zwischenrippennervenschmerz oder kürzer und heute meistens genutzt Interkostalneuralgie, es bedeutet aber das gleiche.

    Die zwei Schreibweisen der Interkostalneuralgie und der Unterschied zu einer Interkostalneuropathie

    Ursprünglich schreibt man medizinisch korrekt abgeleitet Intercostalneuralgie. Doch im deutschen wird c wie zeh gesprochen. Also hat man kurzerhand für das c ein k genommen und so heißt es deutsch Interkostalneuralgie.

    Die Interkostalneuralgie bezeichnet Schmerzen im Verlauf eines Nerven. Solche Nervenschmerzen sind typisch und treten zum Beispiel bei der Gürtelrose (Herpes zoster) auf.

    Eine Neuropathie bezeichnet Schmerzen im Versorgungsgebiet eines Nervs. Dabei wird der Schmerz vom Nerven selbst oder vom Gehirn verursacht. Es muss also keine Schädigung des Nerven vorliegen.

    Ob Neutopathie oder Neuralgie: In beiden Fällen wird der Schmerz im Gehirn verarbeitet. Dies zu verstehen ist für die moderne Therapie unerlässlich!

    Zum besseren Verständnis der Interkostalneuralgie folgt ein kurzer Blick in den Aufbau unseres Nervensystem und seiner Funktion:

    Das Nervensystem der Säugetiere, zu denen ja auch der Mensch gehört, ist im Prinzip erstmal sehr einfach aufgebaut: Das zentrale Nervensystem mit Gehirn und Rückenmark sowie in die Peripherie gehenden Nervenfasern. Der Übergang von Rückenmark zum Gehirn ist dabei ohne scharfe Grenze. Über den Hirnstamm ist das Gehirn mit dem Rückenmark verbunden. Das Rückenmark geht nach unten in das verlängerte Mark (Medulla oblongata, nur noch Nervenfasern und keine Nervenzellen) über.

    Das Gehirn liegt gut geschützt im Schädel und das Rückenmark im Wirbelkanal. Umhüllt ist beides von Häuten (Meningen) und befindet sich in Flüssigkeit (Liquor).

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 34

    Die zerebrale Flüssigkeit ist durch die Blut-Hirn-Schranke vor dem übertitt von Stoffen besonders geschützt, was den Übertritt bestimmter Medikamente hemmt.

    Das Rückenmark selbst ist eine lange, röhrenförmige Struktur aus Nervenzellen.

    Die ungleiche Längenentwicklung von Rückenmark und Wirbelkanal

    Bis zum zweiten Entwicklungsmonat des Fötus wird der Wirbelkanal durch das Rückenmark auf voller Länge ausgefüllt. So verlassen die Nervenwurzeln das Rückenmark durch die Wirbellöcher auf gleicher Höhe. In der weiteren Entwicklung wächst die Wirbelsäule schneller als das Rückenmark. Das Wachtstum des Rückenmarks richtet sich nach der Anzahl der Nervenzellen wohingegen die Wirbelsäule dem funktionellen Wachtstum unterliegt. Bei einem Erwachsenen endet das Mark etwa beim ersten oder zweiten lumbalen Wirbel.

    Paarig aus dem Rückenmark enspringen pro Wirbelsegment Nerven. Diese Nerven heißen Spinalnerven wobei das lat. Wort Spina für das Rückenmark steht.

    Dies sind die wesentlichen Anteile zentralen Nervensystems (mit Ausnahme des Kopfes). Die austretenden Spinalnerven steuern die Rumpfwand und Extremitäten (somatisch) sowie die Eingeweide von Brust-, Bauch- und Beckenhöhle (viszeral). Diese funktionelle Versorgung der Organe, der Körperteile oder der Gewebe mit Nervengewebe nennt sich Innervation.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 35
    Das Rückenmarkssegment in Detail und noch etwas zur Entwicklung der peripheren Nerven

    Der hintere Strang sammelt sensorische Reize aus den Nerven, die in die Hinterwurzel aus dem Segment gehen. Der vordere sendet aus der Vorderwurzel motorische Reize in das Segment1.

    Rückenmarkssegment

    Hinten

    Rückenmarkssegment

    Vorne

    1. Vorderhorn (Cornu anterius)
    2. Hinterhorn (Cornu posterius)
    3. Commisura grisea
    4. Strukturen der weißen Substanz
    5. Vorderstrang (Funiculus anterior)
    6. Seitenstrang (Funiculus lateralis)
    7. Hinterstrang (Funiculus posterior)
    8. Commisura alba anterior-Fissura mediana anterior
    9. Sulcus medianus posterior
    andere Strukturen
    10. Canalis centralis
    11. Radix anterior (Vorderwurzel)
    12. Radix posterior (Hinterwurzel)
    13. Ganglion sensorium nervi spinalis

    Die segmentale Zuordnung war bei den ersten Wirbeltieren noch sehr exakt. Jede „Scheibe“ hat seinen eigenen Nerven. Im Laufe der Entwicklung hat sich eine angepasste Zurodnung entwickelt, ganz nach den funktionellen Bedürnissen. Weiter unten zeige ich das Oberflächenschema im Vergleich zu dem Verlauf des Zwischenrippennervens.

    Grundsätzlich entspringen zwischen zwei Wirbeln jeweils ein Paar Spinalnerven aus dem Wirbelkanal. Wir besitzen so insgesamt 31 paarige Spinalnerven (also meistens). Im Bereich des Brustkorbs gibt es rechts und links jeweils 11 Zwischenrippennerven. Jedes Wirbelsegment bildet mit den Rippen eine „Scheibe“ der Versorgung, die von hinten oben nach vorne unten verläuft. Die Zwischenrippennerven verlaufen gut geschützt mit den Blutgefäßen direkt unter der Rippe. Sie sind so gut geschützt, daß sie sogar ohne eigene Umhüllung (Faszie) auskommen.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 36

    Eine funktionelle Ausnahme macht der erste Interkostalnerv. Er steht in Verbindung mit dem Halsnervengeflecht (Plexus brachialis). Aus diesem entspringen alle Nerven des Armes. Die restlichen Interkostalnerven entspringen ausschließlich segmental ohne eine Beteiligung an einem Nervengeflecht.

    Versorgungsentwicklung der Extremitäten

    Besonders für die Extremitäten musste die segmentale Versorgung komplex aufgeschaltet werden. Ursprüngliche Fasern für die Oberflächenversorgung wurden dafür genutzt. Zwischen dem Rückenmark und der Peripherie entstanden so das Hals-, Lenden- und Beckennervengeflecht. Erst von diesen Geflechten (bis auf einige kurze Direktverbindungen) ziehen die peripheren Nerven in die Arme und Beine.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 37

    Diese motorische Funktion der Interkostalnerven steuert die Muskeln zwischen den Rippen (Interkostalmuskeln) und die Muskeln der vorderen und seitlichen (anterolateralen) Bauchwand.

    Die sensiblen Nervenfasern der Interkostalnerven nehmen Eindrücke auf und leiten diese weiter zum Rückenmark und von da in das Gehirn. Diese sensorische Funktion vermittelt die Wahrnehmung von

    • Haut
      • Brust
      • Bauch
    • Rippen (Costae)
    • Brustfell (Pleura)
    • Bauchfell (Peritoneum)

    Die Nerven steuern auch die Schweißdrüsen und Blutgefäße der Brust- und Bauchwand. Diese autonomen Innervation ist eigenständig und unterliegt keiner bewußten Steuerung. Die sympathische Innervation des autonomen Nervensystems entspringt aus dem Rückenmark, wogegen die parasymthatische über einen Hirnnerven (außer Becken) erfolgt.

    Bauch- und Brustfell

    Die Pleura ist das Brustfell im Brustkorb. Sie besteht aus zwei Häuten. Die innere Haut ist das Lungenfell. Sie überzieht die Lunge. Die äußere Haut ist das Rippenfell. Sie kleidet den Brustkorb aus. Beide Häute können sich zueinander bewegen und heften durch Klebekräfte (Adhäsion) zusammen. So kann die Bewegung vom Zwerchfell und Brustkorb zu Erweiterung der Lunge führen, ohne dass diese eine Verzerrung erfährt.

    Das Peritoneum ist das Bauchfell im Bauchraum. Es kleidet den Bauchraum aus. Es ist eine seröse Membran, die die Wände der Bauchhöhle auskleidet und auf Bauch- und Beckenorganen liegt. Zwischen seinen beiden Schichten – parietal und viszeral – befindet sich die Bauchhöhle. Das Peritoneum hat die Funktion, die Bauch- und Beckenorgane zu stützen und zu schützen.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 38

    Unterhalb der zwölften Rippen liegt der Nerv Subcostalis. Er ist größer als die anderen. Bei Oberbauchschmerzen ist es deshalb wichtig abzuklären, ob eine Interkostalneuralgie vorliegt2. Diese weiter unten liegenden Versorgungen werden im medizinischen Bereich häufig „vergessen“.

    Versorgungsgebiet N. Subcostalis

    Der Nervus Subcostales verläuft am unteren Rand der zwölften Rippe. Diesen Bogen nennt man auch Lumbokostalbogen. Er versorgt den Raum unter der Rippe weiträumig. Dieser Subkostalraum reicht bis fast in die Leiste hinein, das kann man gut auf der Abbildung sehen. Ein seitlicher Hautast geht sogar zur Haut über der Hüfte. So versorgt er dort liegende Muskeln wie den quadratischen Lendenmuskel (M. Quadratus lumborum) sowie wichtige Bauchmuskeln (zusammen mit dem siebten bis elften Interkostalnerv). Es sind der quere Bauchmuskel (M. Transversus) und der innere schräge Bauchmuskel (Musculus obliquus internus abdominis). Und noch ein kleiner Muskel für die Längsspannung der weißen Bauchfaszie wird von diesem Nerv gesteuert. Es ist der M. Pyramidalis. Zudem gibt es hier noch Verbindungen zu weiteren wichtigen vorderen Beckennerven. Diese kommen schon aus dem Nervengeflecht der Lende (Plexus lumbalis). Es ist der erste Nerv (Nervus iliohypogastricus aus lumbal 1 und thorakal 12) der Lende (Plexus lumbalis) und der Leistennerv (Nervus ilioinguinalis aus dem plexus lumbalis).

    Die Nerven selber sind eher Faserbündel ohne umschließende Faszienhülle, wie bereits beschrieben. Die Bündel liegen in einem dreieckigen Raum, der durch die Rippe, die hintere Interkostalmembran und den Intercostalis-Intima-Muskel begrenzt wird.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 39

    Beispiel: Schmerzen im Rippenverlauf bei der Interkostalneuralgie

    Die Interkostalneuralgie treten die Beschwerden im Verlauf einer Rippe auf. Man hat das Gefühl, der Schmerz ist an der Brustwand auf Höhe der Rippe. Dagegen sind Brust oder Bauchschmerzen aufgrund von Projektionen innerer Organe wie Flecken auf der Oberfläche.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 40
    Headsche Zonen
    Headsche Zonen

    Die inneren Organe und Eingeweide (viscera) senden Empfindungen über Nerven an das Großhirn. Es sind die gleichen Spinalnerven wie für die Haut. Das Großhirn kann den Reizort aber nicht unterscheiden. Sonst wäre das Gehirn wahrscheinlich dreimal so groß? Also fühlt sich zum Beispiel eine Oberbauchperitonitis wie Schulterschmerzen an.

    Diese Verbindung zwischen dem somatischen und dem vegetativen Nervensystem hat der englische Neurologe Sir Henry Head (1861-1940) herausgefunden. Dementsprechend heißen sie auch „Head“-Zonen. Der neuseeländische Physiotherapeut Robin McKenzie (1931-2013) ergänzte diese um die Übertragung in entsprechende Muskeln.

    Bei Frauen (sehr selten bei Männern) muss auch ausgeschlossen sein, dass eine Mastodynie vorliegt.

    Mastodynie

    Die Mastodynie ist die Schmerzhaftigkeit der (weiblichen) Brust. Sie ist ein häufig auftretendes gynäkologisches Symptom. Sie tritt in der Regel zyklusabhängig auf. Meist ist sie prämenstruell. Dabei führt die östrogenbedingte Wassereinlagerung zu einem Spannungs- und Schweregefühl in den Brüsten. Es kann aber auch bei einer Mastopathie (Veränderungen im Gewebe der Brust) auftreten.

    Symptome: Von leicht bis sehr schwer

    Meist liegt ein ziehender, anhaltender Schmerz vor. Der zieht wie ein Gürtel diagonal von hinten oben nach vorne unten. Die Höhe entspricht immer einer Rippe. Husten, Pressen, Lagewechsel und Druck auf die Rippe verstärken den Schmerz. Der Schmerz kann leicht sein oder aber auch scharf wie ein Messer. Ebenfalls möglich sind Missempfindungen oder Gefühlsstörungen.

    Bei starken Anfällen kann es zu Atembeschwerden, Schweißausbrüchen, Schwindel, Panikattacken bis hin zur Todesangst kommen.

    Längerfristig kommt es oft zu einer Schonhaltung. Eine Behinderung der Atemmechanik und eine Einschränkung der Lebensqualität ist zu beobachten.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 41

    1. Bei einer Rippenblockade

    Der Nerv kann bereits an der Wirbelsäule komprimiert werden. Häufiger liegt eine Rippenblockierung vor. Das nennt man kurz auch Rippenblockade. Bei der Rippenblockade wird der Nerv unter Druck gesetzt, weil eine Rippe mit ihren Gelenken zur Wirbelsäule blockiert ist.

    Die Rippenblockade ist genau genommen eine Gelenkdysfunktion mit neuronalen, geweblichen und muskulären Veränderungen. Die miteinander verwobenen Prozesse sind hochkomplex. Zwei Komponenten sind dabei besonders zu verstehen:

    • Eine Gelenksfunktionsstörung wirkt auf Rückenmarksebene und zentral im Gehirn und führt unter anderem zu einer Muskelfunktionsstörung.
    • Lokal gibt es entzündliche gewebliche Veränderungen.

    Bei Wegfall der peripheren, geweblichebn Ursache einer Funktionsstörung kann die Speicherung der Information im Rückenmarks und/oder Gehirn weiter bestehen. Eine Rolle spielen zum Beispiel Proteinmoleküle, welche an den Nerven sowohl nach zentral als auch nach peripher wandern können. Dies führt zu einer „gespiegelte“ Entzündung in den entsprechenden Projektionenbereichen im Gehirn.

    Stützzellen, Immunsystem und Nervensystem arbeiten zusammen

    Gliazellen sind das Stützgerüst für die Nervenzellen. Sie sorgen für die elektrische Isolation. Und die sind für die schnelle Weiterleitung von elektrischen Impulsen unabdingbar. Seit den 2010 Jahren kam eine weitere Erkenntnis hinzu. Die Gliazellen, die Nervenzellen und die Immunzellen arbeiten zusammen. Wichtig ist das zum Beispiel für ein besseres Verständnis des Überganges von akuten zu chronischen Schmerzen.

    Als Reaktion auf eine Verletzung werden Immunzellen aktiviert. Sie liegen im Gewebe oder werden mit dem Blut geliefert. Die Immunzellen bekämpfen nicht nur Krankheitserreger. Sie initiieren auch die Sensibilisierung der peripheren Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren). Sie stellen Entzündungsmediatoren her und setzen diese frei. Es kommt zur Interaktion mit Nervenbotenstoffen (Neurotransmittern) und entsprechenenden Rezeptoren. So bilden die Immunzellen, Glianetzwerk und die Nervenzellen (Neuronen) ein integriertes Netzwerk, das die Immunreaktionen koordiniert und die Erregbarkeit der Schmerzbahnen moduliert3.

    Eine „Gelenkblockade“ ist eine hochkomplexe funktionelle Dysfunktion. In der Regel reagieren die Weichteile aufgrund einer Gelenkfehlfunktion, seltener ist die Gelenkmechanik selbst betroffen.

    Eine entsprechende Untersuchung der Rippenblockade sollte immer von gut ausgebildetem Fachpersonal durchgeführt werden.

    2. Selten

    Sehr selten sind Erkrankungen des Rückenmarkes. Häufiger sind Nervenwurzelirritationen.

    3. Nach Operationen

    – Am Herzen

    Häufige Ursachen sind Operationen. Wobei die früher durchgeführte Brustöffnung bei einer Herzoperation (Thorakotomie4) heute nur in wenigen Fällen eine Rolle spielt. Zum einen wird mittlerweile häufig microinvasiv operiert als auch wesentlich besser medikamentös vorgesorgt. Trotzdem leiden rund 50 % der klassisch operierten Patienten langfristig. Es liegt an einer „Nervenverstopfung“, der Bildung eines gutartigen Knoten des Nerv (Neurombildung) oder an einer anhaltenden Nervenreizung5. In wenigen Fällen wird bei einer Bypassoperation am Herz die innere Brustwandarterie verpflanzt. Auch dies kann eine Interkostalneuralgie zur Folge haben6

    – Wirbelsäule

    Andere operative Eingriffe sind zum Beispiel Wirbelsäulenoperationen. Jeder sechste hat danach eine Interkostalneuralgie7. Auch minimalinvasive Operationen bieten keinen letztendlichen Schutz8. Nach Unfällen wird gelegentlich eine Rippe entfernt. Rippenbrüche sind erstaunlicherweise keine häufige Ursache. Aber auch Rippenprellungen können solche Beschwerden hervorrufen.

    4. Durch Entzündungen und Viren

    Meisten tritt eine Interkostalneuralgie durch eine Gürtelrose auf. Doch auch andere Entzündungen können eine Interkostalneuralgie hervorrufen.

    Herpes Zoster

    Der Herpes Zoster ist eine Viruserkrankung mit Schmerzen, Hautausschlag und Bläschenbildung im Rippenverlauf. Erreger sind Varizella-Zosta-Viren. Sie gehören zur Gruppe der Herpes Viren. Die Erkrankung tritt meist bei Immunschwäche auf (Stress, AIDS, immunsuppressive Therapie). Der vorhandene Erreger wird durch die Immunschwäche reaktviert. 

    5. Durch Unfälle

    Nach einem Trauma kann es auch zu einer Intercostalneuralgie kommen. Typisch ist die „Gurtprellung“ beim Auffahrunfall. Heute eher seltener durch den Einsatz der Airbags sowie bessere Gurtposition.

    6. Veränderte Haltung und Schwangerschaft

    Und auch körperliche Veränderungen können eine Ursache sein, Haltungs- und Bewegungsveränderungen bis hin zur Schwangerschaft910.

    7. Sonstige Ursachen

    Eine Verhärtung der Muskulatur (Myogelose) oder eine Blutung können auf den Nerv drücken. Erkrankungen der Wirbelsäule, wie zum Beispiel die Osteochondrose, können auch den Nerv irritieren.

    Sehr selten sind Nervenreizungen durch Tuberkulose oder einen Tumor. Und noch seltener sind Fälle, wie zum Beispiel ein Lipom (gutartige Fettgeschwulst)11.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 42

    Medizinische Einteilung

    Die hochkomplexe aktuelle Version der International Classifikation of Desease erlaubt eine breite Zuordnung. Im Prinzip wird grob unterschieden in Interkostalneuralgie und Interkostalneuropathie und welche Ursache vorliegt. Hier eine Übersicht der Codes:

    Medizinische Einteilung nach ICD 11
    • 8C12.0 Interkostalneuropathie
    • ME81.0 Interkostalschmerz
    • XA5HJ3 Nervus intercostalisInterkostalnerv
    • XA7KK5 Arteria intercostalisInterkostalarterie
    • 8E43.Y Sonstige näher bezeichnete SchmerzstörungenInterkostalnerven-Syndrom
    • FB56.2 MyalgieInterkostale Myalgie
    • NB30.5 Verletzung der Interkostalgefäße
      • NB30.50 Lazeration der Interkostalgefäße
      • NB30.5Y Sonstige näher bezeichnete Verletzung der Interkostalgefäße
      • NB30.5Z Verletzung der Interkostalgefäße, nicht näher bezeichnet
    • XA8E34 Interkostaler Lymphknoten
    • XA0WT1 Arteria intercostalis posterior
    • Hintere Interkostalarterie
    • XA1EE3 Untere (3. bis 11.) posteriore Interkostalarterie
    • XA14K0 Sechs vordere Interkostaläste der Arteria thoraica Interna
    • XA99C2 Obere Äste der sechs vorderen Interkostalästeder Arteria thoraica Interna
    • XA0QG6 Untere Äste der Raumanastomosen der sechs anterioren Interkostaläste der Arteria thoraica interna
    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 43

    Behandlung

    Es wird in jedem Fall immer der Ursache spezifisch behandelt. Deshalb muss die Ursache gefunden werden. Dazu können folgende Untersuchungen gemacht werden:

    Als Basis ist die palpatorische und manuelle Untersuchung unumgänglich und der Fragebefund. Dazu werden ergänzt:

    • Blutbild
    • Röntgenbild
    • Ultraschalluntersuchung
    • Computertomographie (Röntgenverfahren für Querschnittsbilder)
    • Magnetresonanztomographie/Kernspintomographie (3dimensionale Darstellung)
    • Myelographie (radiologische Kontrastdarstellung der Wirbelsäule und des Spinalkanals)
    • EKG (Elektrokardiogramm)
    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 44

    Allgemeine Möglichkeiten

    Unspezifisch können Schmerzmittel oder Rheumamittel (nichtsteroidale Antirheumatika) verabreicht werden. Sie wirken in der Peripherie, also außerhalb von Gehirn oder Rückenmark. Auch kann man gezielt die Muskeln entspannen. Sind die Schmerzen stärker, kann man das Nervensystem mit starken Schmerzmitteln beruhigen. Unter Umständen können dabei auch Opioide verabreicht werden. Man kann den Nerv auch lokal betäuben, das geht leicht durch die relativ offene Struktur12.Die Gefahr von Komplikationen ist sehr gering13

    Eine andere Methode ist der ultraschallgesteuerter Serratus-Anterior-Block. Hier wird der M. Serratus anterior sediert. Es kommt reflektorisch zur Schmerzlinderung. Vor allem nach Traumen eine Möglichkeit der Behandlung14.

    Zudem kann man auch das Rückenmark stimulieren. Dies nennt man peridurale Blockade. Zu berücksichtigen ist das hohe therapeutische Risiko. Deshalb empfiehlt sich dann eher die indirekte Blockade im Lendenbereich mit entsprechend höherer Dosierung.

    Eine neue Technik hat sich bei einer Rippenfraktur als Fallbeispiel bewährt. Der Patient war sechs Monate schmerzfrei. Es ist die Kryolyse. Dabei wird zuerst lokal betäubt (mehrstufigen linksseitigen Interkostalnervenblockade) und dann mittels Führung unter einem Ultraschallgerät der Interkostalnerv vereist (zwei Zyklen von 2 Minuten Abkühlung auf eine Temperatur von -70 °C (Lachgas) mit 30 Sekunden Auftauen dazwischen)15.

    Periadualanästhesie

    Die Periduralanästhesie ist die regionale Anästhesie (Betäubung) des Rückenmarks. Der Name kommt vom griechischen περί peri = um ihn herum + ντούρος Duros = hart (für harte Hirnhaut ἀναισθησία anästhisia Anästhesie. Die Abkürzung ist PDA. Wird auch Epiduralanästhesie (EDA) genannt.

    Ist der Nerv länger und nicht reversibel betroffen, so kann man den Nerv auch chirurgisch trennen. Als Ersatz für die Muskelsteuerung (Innervation) kann ein Nerv aus dem großen Rückenmuskel (M. Latissimus dorsi) genommen werden16. Dieses Verfahren wird nur in schweren Fällen angewendet.

    Es wurden auch nervenzerstörende neurolytische Verfahren ausprobiert. Dabei wurde rückenmarksnah ein Nervengift gespritzt17. Es gibt keine positive Nachweise für den erfolgreichen Einsatz neurochirurgischer Eingriffen an der Nervenwurzel, wobei die Gefahr einer Komplikation sehr groß ist.

    Effektiver zeigt sich die elektrische Zerstörung der Nervenwurzel18.

    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 45

    Lokale Verfahren

    • Eisapplikation (kein Coolpack)19
    • Wärme
    • Ultraschalltherapie
    • Transkutane elektrische Nervenstimulation (T.E.N.S.)
    • Mobilisation
      • passiv (nur durch einen erfahrenen Praktiker)
        • Chiropraktik/Chiropractic (engl.): Das Wort stammt auf dem altgriechischen χείρ(Chir). Entwickelt wurde die Technik Ende des 19 Jahrhunderts von Daniel David Palmer. Er war ein US-amerikanischer Mediziner. Ursprünglich für die Behandlung von „verrenkten“ Wirbeln ersonnen, wird sie heute am ganzen Körper angewendet. 
        • Manuelle Therapie (MT): Auf Basis einer physiotherapeutischen Ausbildung erhält der Praktiker nach Absolvierung einer umfangreichen Fortbildung das Zertifikat für Manuelle Therapie. Standard ist der „IFOMPT“ (International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapists). 
        • Osteopathie/Osteopathy: Das Wort stammt aus dem altgriechischem ὀστέον(Knochen) und πάθος (Leiden). Begründet wurde die Technik in den 1870er Jahren durch den US-amerikanischen Arzt Andrew Still. Er entwickelt manuelle Techniken für Schmerzen, Verdauungsprobleme, Menstruationsbeschwerden und andere Symptome.
        • Regionale oder weniger bekannte Richtungen der passiven Therapie:
          • Cranio-Sacral-Therapie: Das Wort stammt aus dem latainischen Cranium (Kopf) und Sacrum(Kreuzbein) hat ihre Wurzeln in der kraniosakralen Osteopathie (Osteopathy in the Cranial Field) von William Garner Sutherland. Er war US-amerikanischer Arzt und entwickelte die Technik in den 1930er Jahren. Führend in der heutigen Entwicklung der craniosacralen Osteopathie ist das Upledger Institut. Die Behandlung richtet sich an Mikroveränderungen in den Spannungen der Gewebe.
          • Naprapathie/Naprapathy wird hauptsächlich in den skandinavischen Ländern sowie den USA angewendet. Vorreiter ist Schweden. Sie ist fokussiert und behandelt die neuro-skeletomuskuläre Dysfunktionen. 
          • Ortho-Bionomy ist eine vom Kanadier Arthur Lincoln Pauls entwickelte Methode. Sie vereint Elemente der Osteopathie, der Physiotherapie und der traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).
          • Rolfing Methode: Sie fokussiert insb. auf die Faszien sowie die strukturelle Integration.
      • aktiv (unter Anleitung)
        • Atemtechniken
        • Streckübungen
        • Dehnungen (Strukturlängenübungen der Weichteile)
        • Yoga Asanas
    • kurze und intensive Triggerpunktbehandlung20
    • Akupunktur
    Interkostalneuralgie: Wenn ein Schmerz um die Brust zieht 46

    Mobilisation

    Auch wenn es erstmal so aussieht, dass es konkurrierende Verfahren zur Mobilisation einer Rippenblockade gibt, so ergibt sich in der Praxis ein ganz anderes Bild: Es kommt auf die Fachfrau oder den Fachmann an. Und für die Wahl kann ein Patient auf Erfahrungswerte zurückgreifen oder auf Empfehlungen. In jedem Fall spricht die Therapeutin immer über den Ablauf der Therapie mit dem Patienten. Erst anschließend wird behandelt.

    Rippenblockade und Mobilisation nur fachgerecht!

    Bei einer Rippenblockade ist die fachgerechte Mobilisation das Mittel der Wahl. Es sollte nur in wirklich fachkundiger Hand durchgeführt werden. Eine Rippenblockade ist nicht gleich Rippenblockade. Es gibt viele gewebespezifischen Veränderungen zu berücksichtigen. Zudem spielen sekundäre Einschränkungen zum Beispiel in der Halswirbelsäule oder im frontalen thorakalen Bereich (Übergang Rippen zum Brustbein) eine Rolle.

    Andere Namen

    • Intercostal Neuralgia
    • Neuralgiforme Brustschmerzen
    • Intercostal nerv block
    • Intercostal nerv pain
    • Brustnervenschmerzen
    • Interkostalneuralgie
    • Neuralgie intercostales
    1. Gerhard Roth.Evolution der Nervensysteme und Gehirne.Sprektrum der Wissenschaft 2000 ↩︎
    2. Abdominal intercostal neuralgia: a forgotten cause of abdominal pain (Roumen RM , Scheltinga MR) Nederlands Tijdschrift
      Voor Geneeskunde 01 Sep 2006, 150(35):1909-1915
      ↩︎
    3. Ke Ren and Ronald Dubner. Interactions between the immune and nervous systems in pain. Nat Med. 2010 Nov; 16(11): 1267–1276 ↩︎
    4. Poststernotomy neuralgia: a new pain syndrome(Defalque RJ , Bromley JJ) Br J Anaest 01 Jul 1989, 69(1):81-82 ↩︎
    5. Topira materelieves refractory intercostal neuralgia (Zahid H. Bajwa, NaveedSami, Carol A. Warfield, Joshua Wootton) First published June 1,1999 ↩︎
    6. Intercostal neuralgia associated with internal mammary artery grafting (I. D. CONACHER J. C. DOIG L. RIVAS A. K.PRIDIE) First published: December 1993 ↩︎
    7. The incidence of complications in endoscopic anterior thoracolumbar spinalreconstructive surgery. A prospective multicenter study comprisingthe first 100 consecutive cases (McAfee PC , Regan JR , Zdeblick T, Zuckerman J , Picetti GD 3rd , Heim S , Geis WP , Fedder IL)Spine 01 Jul 1995, 20(14):1624-1632 ↩︎
    8. Complicationsin thoracoscopic spinal surgery (T.-J. HuangR. W.-W. HsuC.-W.SumH.-P. LiuSurgical) Endoscopy April 1999, Volume 13, Issue 4, pp346 ↩︎
    9. Long-termepidural analgesia for pregnancy-induced intercostal neuralgia (SusanSamlaskaTeresa E.Dews and more ScienceDirect Volume 62, Issue 2, August 1995, Pages 245-248 ↩︎
    10. IntercostalNeuralgia of Pregnancy (A. Bernard Pleet, MC; E. Wayne Massey, MC)JAMA. 1980;243(8):770. doi:10.1001/jama.1980.03300340046021 ↩︎
    11. Intercostal Neuralgia Caused bya Parosteal Lipoma of the Rib (Hyun KooKimMD, PhDYoung HoChoiMD,PhDYang HyunChoMDYoung-sangSohnMD, PhDHark JeiKimMD, PhD and more) The Annals of Thoracic Surgery Volume 81, Issue 5, May 2006, Pages 1901-1903 ↩︎
    12. POSTERIOR INTERCOSTAL NERVE BLOCK FOR PAIN RELIEF AFTERCHOLECYSTECTOMY: Anatomical basis and efficacy (J. F. NUNN, PH.D.,M.D., F.F.A.R.C.S. G. SLAVIN, M.B., F.R.C.PATH., F.R.C.P.(GLAS.)BJA: British Journal of Anaesthesia, Volume 52, Issue 3, 1 March1980, Pages 253–260 ↩︎
    13. British Journal of Anaesthesia 01 Feb 1975, 47 suppl:284-86 ↩︎
    14. A Novel Technique: Ultrasound-Guided Serratus Anterior Plane Block for the Treatment of Posttraumatic Intercostal Neuralgia (Sir E1, Eksert S, Ince ME, Simsek F, Ozkan G, Eskin MB) Am J Phys Med Rehabil. 2019 Nov;98(11):e132-e135 ↩︎
    15. „Cryoneurolysis of Intercostal Nerve for Rib Trauma and Intercostal Neuralgia in the ED – A Multidisciplinary Approach“(Mani Hashemi, S.M. Jafar Mahmood, Jorge Fernandez, Jessica Oswald)The journal of emergency medicine June 08, 2022 ↩︎
    16. Neurectomy for treatment of intercostal neuralgia (Williams EH1, Williams CG, Rosson GD, Heitmiller RF, Dellon AL.) Ann Thorac Surg. 2008 May;85(5):1766-70 ↩︎
    17. Epidural phenol in the treatment of postherpetic neuralgia (Neuendorf) J Am Osteopath Assoc. 1986 Jan;86(1):34-6 ↩︎
    18. DREZ (dorsal root entry zone) surgery for the treatment of the postherpetic intercostal neuralgia(Spaić M, Ivanović S, Slavik E, Antić B.)Acta Chir Iugosl. 2004;51(4):53-7 ↩︎
    19. The role of cryoanalgesia for chronic thoracic pain: results of a long-term follow up (Carmen R. Green, A. Michael de Rosayro, and Alan R. Tait) J Natl Med Assoc. 2002 Aug; 94(8): 716–720 ↩︎
    20. Trigger points and acupuncture points for pain: Correlations and implications (RonaldMelzackabDorothy M.StillwellabElisabeth J.Foxab) ScienceDirect Volume 3, Issue 1, February 1977, Pages 3-23 ↩︎